Tsotsi (#) von Gavin Hood. Südafrika/England, 2005. Presley Chweneyagae, Mothusi Magano, Kenneth Nkosi

   Mit ein wenig Boshaftigkeit könnte ich jetzt sagen: Klar, daß so ein Film den Oscar für den besten fremdsprachigen gewinnt, denn wirklich weh tut er eigentlich keinem. Das ist aber sicherlich etwas zu einfach und vielleicht auch nicht fair, während des Zuschauens allerdings habe ich genau das empfunden, und je mehr Figuren sich in das Planspiel einfügten, desto deutlicher wurde mein Eindruck, daß dies im Grunde ein Märchen aus den Townships ist und man sich jetzt nur noch darüber streiten kann, ob diese Leute nicht genau wie wir das Recht auf Märchen haben. In erster Linie soll dies wohl auch ein hoffnungsspendendes Projekt sein und als solches verdient es Respekt und hat seinen Sinn, und mir als sattem Westeuropäer steht natürlich kaum ein Urteil darüber zu, ich kann also nur über mein ganz privates Empfinden sprechen und das tue ich hiermit.

   Berichtet wird von der Läuterung eines bösen Menschen, eines Gangsters genannt Tsotsi, der mit seiner insgesamt vierköpfigen Gang im Township bei Johannesburg sein Unwesen treibt und dabei alles andere als zimperlich in der Wahl seiner Mittel ist. Geläutert wird er von einem Baby (so einem Baby wie aus der Aletewerbung!), das er auf der Flucht unabsichtlich mitnimmt, nachdem er dessen Mutter brutal niedergeschossen hat. Hübsch langsam entwickelt er für den kleinen Kotzer so etwas wie Verantwortung oder gar väterliche Gefühle, entfremdet sich nebenbei immer mehr von seiner alten Gang und wendet sich plötzlich auch anderen Dingen des Leben zu. Zudem tritt noch eine junge Frau auf den Plan (die heilige Johanna der Townships nämlich), schön und stark, die das entführte Kind eine Zeitlang säugt und pflegt, obwohl sie weiß, woher es kommt, und die dem Tsotsi schließlich ein süßes Versprechen gibt, wenn er das Kind wieder bei den Eltern abliefert. So geschieht’s, die Polizei ist auch reichlich zugegen, doch statt des zu erwartenden Blutbades mit sterbendem Märtyrer reckt Tsotsi seine Arme hoch in den Himmel und kann so vielleicht überleben und neu anfangen.

   Untermalt wird dies abwechselnd von fetzigen Ghettoklängen oder aber (und das ist echt schlimm) feierlichem Sphärengedudel, das sehr an einschlägige Hollywooddramen erinnert und den ganzen Film viel seichter macht, als er sein könnte. Denn natürlich sieht man rechts und links vom Wege durchaus viel Elend, sieht die Blechhüttenwüste des Township, die Kinder, die in Kanalröhren leben, ahnt die schreckliche Armut, sieht überall Plakate gegen Aids und bekommt zumindest teilweise einen Eindruck über die üble Gewalt, die allüberall herrscht. Es gibt somit einige Momente, die andeuten, wie der Film auch hätte aussehen können, doch zuviel spricht einfach dagegen: Die ständig stilisierte Optik, die erwähnte Musikberieselung und vor allem die viel zu stereotyp aufgestellten Figuren, die sich vorhersehbar und absolut schematisch bewegen wie Marionetten ohne Eigenleben. Der toughe Gangster mit dem menschlichen Kern,  der nach dem rechten Weg sucht die schöne heilige Johanna, die den toughen Kerl auf den rechten Weg bringen will, das Aleteknuddelkind (das bei allen anwesenden Frauen sogleich hörbare Hormonschübe auslöste!), der im Grunde nette reiche Schwarze aus dem Schickiviertel, der Rollstuhlbettler aus der U-Bahnstation, der dicke gutmütige Buddy aus der Gang, der fiese blutrünstige Typ aus der Gang, der warnende intellektuelle Typ aus der Gang, die verräterische Thekendame aus der Nachbarschaft. Jeder hat seinen Platz, jeder spielt seine Rolle und zwar genau so, wie man es von vornherein erwarten durfte. Ich merke schon, daß ich mit dem Film doch ziemlich unzufrieden bin, und warum soll ich das nicht sagen. Interessant sind immerhin ein paar aktuelle Impressionen aus dem Land, das uns leider sehr selten nur mit Filmen beehrt und die Feststellung, daß es afrikanisches Kino doch noch gibt, und das der blöde Oscar bei allem Hadern vielleicht das eine Gute hat, daß dadurch nämlich Geld fließt für neue Projekte, die vielleicht mit etwas Glück nicht ganz so klischeehaft sind wie das hier. (14.5.)