Volver (#) von Pedro Almodóvar. Spanien, 2006. Penélope Cruz, Carmen Maura, Yohana Cobo, Blanca Portillo, Lola Duenas

   Um eine Art von Rückkehr geht es in verschiedenen Zusammenhängen in diesem Film, wenn man ihn denn akademisch betrachten will: Um eine Rückkehr zur Familie nach langen Jahren des vermeintlich Totseins, um eine Rückkehr in die eigene Vergangenheit, die gleichzeitig eine Befreiung ist, um eine Rückkehr zu sich selbst und den eigenen Gefühlen und Wünschen, um eine Rückkehr an den Ort der Kindheit zu dem Zweck, selbige endlich aufzuarbeiten. Und so weiter. Eine Geschichte von Frauen und Familien, von Mißhandlung, Einsamkeit, Krankheit und Tod, aber auch eine Geschichte von Freundschaft, Liebe und Stärke: Wie man das Leben anpackt, egal wie dick es gerade kommt, wie man immer noch von irgendwoher letzte Kräfte mobilisiert, noch einen Ausweg findet, und vielleicht auch nach den vielen Jahren des Lügens und Verheimlichens einen Weg zur Wahrheit und zum Vertrauen findet. Wie gesagt, all dies für die Akademiker, die gern dem Gehalt eines Films nachspüren. Allen anderen werden solche Betrachtungen möglicherweise schnuppe sein, denn im Grunde geht es doch nur um Gefühle, und zwar um ganz große Gefühle, und da dies ein Film vom Spezialisten für die großen Gefühle ist, ist es auch ein großer Film. Alles wie gehabt: Schweres Familiendrama, erdige Komödie, zärtlicher Frauenfilm und absurde Tragödie so wild gemixt, wie nur einer es darf und wie auch nur dieser eine es kann, und er hat das einmal mehr so meisterhaft und unnachahmlich getan, daß wir ihm bedenkenlos aus der Hand fressen, auch wenn die Geschichte wüste Volten schlägt, auch wenn die Schatten der Vergangenheit jedes normale Drama beerdigen würden und auch wenn der Film ständig auf dem bewußten schmalen Grat balanciert. Almodóvar hat nie etwas anderes getan, und ich bin sehr froh, daß er nach der bleiernen Männerkiste „La mala educación“ wieder zu seinen geliebten Frauen zurückgekehrt ist, denn in ihrem Kreis scheint er sich einfach wohler zu fühlen, hier hat er seine schönsten Filme gemacht, zu denen „Volver“ ganz sicher gehört

   Und so treibt er uns einmal mehr rastlos, aber nie atemlos, durch all die Verwicklungen und Verzweigungen seiner neuen Geschichte, er überstürzt nichts mehr wie früher, dennoch hält er niemals an, findet sofort den Fluß, den Rhythmus und zieht ihn unerbittlich zwei Stunden lang durch, und es gibt keine Sekunde der Langeweile, immer schon freut man sich darauf, was als nächstes geschieht und fragt sich gespannt wie es weitergehen mag mit Raimunda und ihrer Tochter und ihrer Schwester, deren Leben in Madrid durch zwei Sterbefälle schlagartig ins Rutschen gerät. Eine Tante stirbt draußen in der Mancha, wo sie einst aufwuchsen und Raimundas Tochter tötet den zudringlichen Stiefvater in Notwehr mit dem Küchenmesser. Womit allerdings die pragmatisch zupackende Mama durchaus fertig wird, Leiche und Blut werden flugs beseitigt und ganz nebenbei bringt sie auch noch ein zum Verkauf stehendes Restaurant neu auf Trab und betätigt sich als Sängerin. Mit den Familienbanden geht es dann schon weniger glatt, zumal draußen im Dorf die liebe und fürsorgliche Nachbarin an Krebs erkrankt und sich zwischen den beiden Familien schicksalhafte Bande erahnen lassen, und der Schwester auch noch der Geist der angeblich längst verbrannten Mutter erscheint und sich Raimunda über kurz oder lang ihrer Vergangenheit stellen und auch der Tochter noch so einiges erklären muß.

 

   Sowas erzählt Almodóvar immer so, als sei es das normalste der Welt und als würde sich zumindest in seiner Umgebung ähnliches andauernd zutragen. Und da gemeinsam mit ihm auch seine Protagonistinnen im Lauf der Zeit abgeklärter geworden sind, regt sich auch niemand mehr wirklich auf, selbst wenn das Schicksal wieder besonders wild zuhaut. Es fließen Tränen, aber die machen nur stark oder werden gleich an Ort und Stelle getrocknet, wenn grad keine Zeit dafür ist. Es gibt schöne Musik, ein bißchen Krimi, ein bißchen was Verrücktes, aber eigentlich geht es nur darum, wie die Handvoll Frauen hier ihr Leben (und auch ihren Tod) meistern und dabei zu sich und zueinander finden. Die Schauspielerinnen sind wunderbar, die Wärme und Zärtlichkeit der Bilder auch, und insgesamt ist dies schlicht ein Film zum Genießen. Ich jedenfalls habe ihn von der ersten bis zur letzten Minute genossen. (7.8.)