We feed the world (#) von Erwin Wagenhofer. Österreich, 2005.

   Natürlich ruft solch ein Film jede Menge Wut hervor, und es ist im Grunde keine sehr produktive Wut, denn sie ist die Wut des kleinen Mannes, der das Gefühl hat, an den Verhältnissen, zumindest an den im Film bezeichneten, gar nichts ändern zu können. Ausgeliefert fühlen wir uns ja schon lange, ausgeliefert dem monströs wuchernden, längst schon alle Grenzen sprengenden Kapitalismus, ausgeliefert der ebenso monströsen, jeden gesunden Menschenverstand negierenden Brüsseler Bürokratie und ausgeliefert einer globalen Ungleichheit und Ungerechtigkeit, die einem Tag für Tag ins Gesicht schreit, wenn die Medien sich denn herablassen, von Hunger und Elend zu berichten (höchst unwahrscheinlich allerdings in den Zeiten des WM-Overkill). Ein österreichischer Dokumentarfilmer sammelt Beispiele für all dies und er hat natürlich gar keine Probleme, allüberall drauf zu stoßen: In Wien, wo täglich soviel gut eßbares Brot vernichtet wird, daß man die gesamte Stadt Graz für einen Tag damit versorgen könnte. Beim Fischer in Concarneau, der bald nicht mehr fischen darf, weil die EG-Beamten industriellen Fang diktieren wollen, selbst wenn die Qualität des Fangs drastisch in den Keller geht. Beim Gemüsebauern in Rumänien, der sich aussichtslos der Konkurrenz eines weltweit operierenden Hybridsamenkonzerns gegenübersieht und weiß, daß die Menschen lieber die prall glänzende Aubergine kaufen, selbst wenn sie nicht annähernd so gut schmeckt wie die natürlich gewachsene. In den gigantischen Zuchthäusern von Almeria in Südspanien, wo die halbe Welt mit Tomaten versorgt wird, weil der Transport über 3000 Kilometer immer noch billiger ist als die Dinger in den jeweiligen Ländern anzubauen. Auf den immensen Sojaplantagen Nordbrasiliens, wo riesige Urwaldflächen niedergemacht wurden, nur um eine Pflanze anzubauen, die hier eigentlich gar nicht gut wächst, die aber trotzdem in alle Welt exportiert wird, während nebenan in Pernambuco und Mato Grosso die Menschen in Scheiß und Dreck vegetieren. In den fürchterlichen österreichischen Massenmäst- und schlachtanlagen für Hühnchen, wo endgültig jegliches Leben mit den Füßen niedergetreten wird, wo aber täglich hunderttausende Gummiadler für unseren billigen Verzehr produziert werden. Das könnte natürlich endlos weitergehen, wie man weiß, und zwischendurch kommt der Nestlé-Chef zu Wort und preist den allgemeinen Reichtum und die Gesundheit des Menschen und erklärt uns ein Schweizer Sonderberichterstatter die Lage: Die vom reichen Westen inszenierte Monokulturwirtschaft, die Multikonzerne, die ganzen absurden EG-Bestimmungen und das Verlangen nach immer billigerer Ware zerstört schlichtweg alles, was jemals mit natürlich gewachsenen Strukturen zu tun hatte. Afrikanische Gemüseproduzenten haben keine Chance auf dem Markt, ebensowenig alteingesessenen Fischer oder Bauern in Europa, sie alle müssen der einen Doktrin weichen, die seit vielen Jahren die Welt beherrscht und die da heißt „Profitmaximierung um jedweden Preis“. Diesem Götzen wird einfach alles untergeordnet und unsere EG-Diktatoren machen fleißig mit, denn sie haben sich ein System gebaut, in dem Parasiten wie sie satt und fett existieren können. Unser Schweizer rechnet uns das ganz plakativ vor: Auf der Welt werden genug Nahrungsmittel produziert, um zwölf Milliarden Menschen zu ernähren. Dennoch sterben Tag für Tag hunderttausende an den Folgen des Hungers. Ein Wahnsinn, der uns verzweifeln läßt, weil wir wissen, daß eine gerechtere Verteilung möglich wäre, daß sie aber von den Geschäftemachern nicht gewünscht wird.

 

   Wagenhofer sagt und zeigt uns eigentlich nichts Neues – jeder, der sich schon mal irgendwie mit einem dieser Themen befaßt hat, weiß ungefähr um die Zusammenhänge, und ich könnte mir durchaus Filme vorstellen, die differenzierter oder tiefgehender argumentieren, dennoch ist dies aber ein ganz guter Denk- und vielleicht auch Handlungsanstoß für manche, die ihr eigenes Konsumverhalten mal wieder reflektieren oder sich über das Unrecht in der Welt empören wollen. Und wenn daraus im Kleinen Konsequenzen erwachsen, wäre ja auch schon mal was erreicht. (16.5.)