Australia (#) von Baz Luhrman. Australien, 2008. Nicole Kidman, Hugh Jackman, Brandon Walters, David Wenham, Bryan Brown, Jack Thompson, David Gulpilil
Wenn einer wie Baz Luhrman hergeht und eine Hommage an seine Heimat ausheckt, darf man sich auf eine volle Breitseite flamboyanten Filmwerks gefasst machen. Und natürlich hat der Mann diese Erwartungen nicht enttäuscht – zweieinhalb Stunden pralles Kintopp im wörtlichen Sinne erwarten uns, ein berauschendes Fest für die Augen, oder wie man sowas nennt, nur ob das zugleich auch ein guter Film ist, steht auf einem anderen Blatt. Und bei Licht betrachtet muss ich wohl sagen, dass ich den Film nicht besonders gut finde, zwar auch nicht unbedingt schlecht, aber weit entfernt von einem Kinoereignis des Jahres, als das er weit und breit verkauft wird.
Luhrman hat beachtlichen Aufwand betrieben, hat noch drei weitere Drehbuchautoren bemüht (unter anderem solch honorige Herren wie Ronald Harwood), um nicht nur eine Hommage an seine Heimat zu erschaffen, sondern auch noch eine Hommage an das klassische Hollywood-Melodram der Dreißiger und Vierziger oder so, und dementsprechend musste er ganz verschiedene Elemente unter einen Hut bringen mit dem Ergebnis, dass sein Film mindestens drei Geschichten erzählt und einige Probleme mit dem Fokus hat.
Zunächst die Geschichte einer typisch versnobten englischen Lady Ashley, die im Jahr 1939 nach Australien reist, um das Schicksal ihres Mannes aufzuklären, der dort eine Rinderfarm betreibt. Dann die Geschichte ihres Kampfes gegen den mächtigsten Mann am Ort, der alle Konkurrenten schluckt, bis eben auf den Mann der Lady, und der den Handel über den Hafen in Darwin im Northern Territory kontrolliert. Dann die Geschichte eines Trecks, den Lady Ashley mit Hilfe des ungehobelten Drover und einiger Helfer organisiert, um die große Herde zu verschiffen und Profit aus dem sich ausweitenden Krieg im Pazifik zu schlagen. Dann die Liebesgeschichte der beiden denkbar verschiedenen Helden. Dann die Geschichte des Krieges, der in Form japanischer Bombenangriffe über Australien hereinbricht und alle auf eine große Probe stellt. Und last not least die Geschichte des Mischlingsjungen Nullah, dem das Schicksal vieler anderer Mischlingskinder seiner Zeit droht, nämlich den Eltern entrissen und in eine kirchliche „Erziehungseinrichtung“ gesteckt zu werden (siehe auch „Long walk home“ von Philip Noyce), und um den nun sein Großvater kämpft, ein alter Aborigine, der den Enkel auf die Initiationswanderung mitnehmen möchte und dem gesamten Geschehen deshalb ein wenig mit spezieller Magie auf die Sprünge helfen muss.
Das größte Problem des Films liegt nicht darin, dass Luhrman diese vielen Stories nicht alle gleich überzeugend umsetzt und erzählt und sich auch stilistisch einige Schwankungen gestattet, so zum Beispiel in der recht desaströsen ersten Viertelstunde, die an seine blödsinnig überkandidelte Moulin-Rouge-Farce erinnert und uns ausnahmslos Comicfiguren präsentiert, bevor sich dann der Erzählton irgendwann einpendelt und einen halbwegs vernünftigen Rhythmus findet (die ausführliche Schilderung des Viehtrecks durch die Wüste und gegen die Angriffe des bösen Gegners ist die schönste Phase des Films). Das größte Problem liegt auch nicht in der sehr aufdringlich ausgestellten Künstlichkeit vieler Einstellungen, besonders der Tableaus aus dem CG-Labor, die sich offenkundig gar keine Mühe geben, ihre Herkunft zu verbergen. Das größte Problem liegt weiterhin nicht in der relativ flüchtigen und oberflächlichen Handhabung des delikaten Aborigine-Themas, zu dem es wahrlich einige sehr viel tiefgründigere Filme gibt, und auch nicht in Luhrmans Absicht, möglichst viel Bildzitate aus den klassischen großen Melodramen einzubauen und ja keinen „großen“ Moment zu versäumen. Das größte Problem liegt schlicht und ergreifend in der Person der Hauptdarstellerin, die für mich früher durchaus jeden Kinobesuch wert war, die sich aber in den letzten Jahren unter dem offensichtlichen Einfluss kosmetisch-chirurgischer Hilfsmittel zu einem eigentümlichen Wesen gewandelt hat, dem mehr und mehr der menschliche Aspekt abgeht. Nicole Kidman ist selbst zu einer Kunstfigur geworden, zu einer Puppe mit exzentrisch verfremdeten Gesichtszügen, dem Produkt übersteigerter Ambitionen und wahnhafter Eitelkeit – oder was auch immer, mir ist es eigentlich auch wurscht. Ich kann als Zuschauer keinerlei Beziehung mehr zu ihr oder den von ihr vorgestellten Charakteren entwickeln, und mir ist damit eine eindrucksvolle und auch charismatisch Schauspielerin verloren gegangen, die mich in diesem Film hier nur befremdet und mir das Zusehen über weite Strecken verleidet, zumal sie ja fast ununterbrochen präsent ist. Hugh Jackman darf immerhin schön und kernig sein, der Prototyp des rauen Halbwilden, der unter weiblichem Einfluss langsam aber sicher gezähmt und zivilisiert wird, während Kidmans starre Gesichtszüge zum Teil schon grotesk wirken, sich aber nie und nimmer für eine ernsthafte Darstellung eignen, eher noch für die anfangs so überzogen schrille Karikatur der britischen Adelszicke, die mit den wilden Australiern und ihren rüden Sitten konfrontiert wird.
Wie auch immer, meine emotionale Anteilnahme wurde auf diese Weise trotz der einen oder anderen ganz gelungenen Szenen grundsätzlich verhindert, und so zog das pompöse Machwerk weitgehend spurlos an mir vorüber und wird wenig bei mir hinterlassen außer möglicherweise den Wunsch, mal wieder ein paar Daten zur australischen Geschichte und Topographie zu checken. Auf jeden Fall aber gibt es zig weitaus bessere Filme von down under, und wenn er seinem Heimatland wirklich seine Reverenz erwiesen will, muss der gute Mister Luhrmann noch einen weiteren Anlauf nehmen, wie ich finde. (30.12.)