Body of lies (#) von Ridley Scott. USA, 2008. Leonardio DiCaprio, Russell Crowe, Mark Strong, Golshifteh Farahani, Vince Colosimo, Oscar Isaac, Ali Suliman, Alon Abutbul

   Der globale “Krieg” gegen den Terror und der Einsatz der USA in welcher Form auch immer im Nahen und Mittleren Osten hat sich in den letzten Jahren als ein zentrales Thema kommerzieller Hollywoodfilme etabliert, manche davon wirklich ambitioniert und um differenzierte Darstellung bemüht, andere eher an kassenträchtiger Action und fotogenen Stars interessiert, sie alle reflektieren aber zweifellos das Bemühen, sowohl die öffentliche politische Diskussion, als auch die öffentliche Paranoia und die Frage nach Ursachen, Hintergründen und einer möglichen weiteren Eskalation der Ereignisse irgendwie zu einer genregerechten und auch in den Staaten rezipierbaren Form zusammenzufügen. Die Resultate sind wie gesagt äußerst gemischt, immerhin aber lässt sich feststellen, dass sich Hollywood in dieser Sache nicht mehr wie früher ohne weiteres vor den Karren der Regierung hat spannen lassen, sondern dass die Produzenten, Autoren und Regisseure zunehmend kritischer und teilweise sogar mutiger geworden sind.

   Ridley Scott, der immer in erster Linie ein kommerziell orientierter Filmemacher war, hat sich gottlob seit dem desaströsen weil total verlogenen „Black Hawk Down“ ebenfalls ein bisschen entwickelt und legt hier ein Werk vor, dass Anspruch und Notwendigkeit ganz gut kombiniert, dass seine Aussage klar formuliert, leider aber genau eine Konzession zuviel macht und damit einiges an Boden verliert.

   Wir sehen zwei CIA-Männer: Ferris ist der Mann fürs Grobe, der Undercoveragent, der im Irak, in Jordanien und sonstwo versucht, lokale Terrornetzwerke aufzuspüren und unschädlich zu machen, ein Mann, der ständig in Lebensgefahr schwebt und der ständig gezwungen ist, im Notfall auch mal von der Waffe Gebrauch zu machen, um zu verhindern, dass Informationen in die falschen Hände geraten. Ein tough guy, aber einer, der durch jahrelanges Erleben vor Ort  eingesehen hat, dass das simple US-Weltbild keine Gültigkeit hat, dass die Linie zwischen Recht und Unrecht ganz woanders verläuft, als die USA der Welt glauben machen möchten, und dass vor allem die Sesselhocker daheim in Langley keinen Schimmer haben, wie die Dinge wirklich sind. Hoffman, der Leiter der Nahostgruppe, ist genau solch ein Knabe. Ein pummeliger, unscheinbarer Bürokrat mit unbeirrbarem Tunnelblick auf seine Interessen, für den einzelne Menschen nur Schachfiguren im globalen Kriegsspiel sind, ein eiskalter Taktierer, der sich nicht um Vereinbarungen und Versprechungen schert und keine Sekunde lang darüber nachdenkt, was seine oft törichten und destruktiven Aktionen anrichten können. Der Mann mit dem Handy im Ohr, der seine Kinder beaufsichtigt und gleichzeitig Ferris wie eine Marionette dirigiert, bis dieser schließlich aufbegehrt und nach einem lebensgefährlichen und fast fatalen Einsatz in Amman den Dienst quittiert. In Amman wiederum treffen wir auf den dritten Mann im Bunde, den Chef des dortigen Geheimdienstes Hani, einen kultivierten, eleganten Herrn mit fast unbeschränkter macht und eigenen Zielen, die er knallhart verfolgt, und für die er Intrigen, Folter und Mord wie selbstverständlich einsetzt. Er benutzt das CIA schließlich für seine Zwecke, manipuliert Ferris, der sich in eine Ärztin verliebt hat und dadurch Schwäche zeigt, und genau wie die Amis hat auch er eigentlich kein Interesse daran, die Verhältnisse wirklich zu stabilisieren, weil er dann automatisch keine Existenzberechtigung mehr hätte.

   Zwischen diesen drei Protagonisten werden moralische und auch politische Fragen verhandelt, wobei ganz klar ist, dass die klassischen Zuteilungen von Schuld und Verantwortung in dieser extrem verstrickten und delikaten Konstellation keine Gültigkeit haben. Der Terror der Taliban und Konsorten ist schrecklich und unentschuldbar (wir sehen verheerende Bombenanschläge in Manchester und Amsterdam), doch das Vorgehen des CIA ist ebenso schrecklich und unentschuldbar und führt, wie ja mittlerweile sehr häufig argumentiert wird, zu noch mehr Terror und Gewalt und ist für Extremisten jedweder Couleur eine willkommene und bequeme Legitimation. Folter, Mord und Willkür also auf allen Seiten, jeder schiebt die Schuld dem anderen zu und dreht die Terrorschraube noch eine Drehung weiter, und aufgerieben in dieser Gewaltspirale leidet die Zivilbevölkerung, die auch in diesem Film keine eigene Stimme hat, weil Opfer eben meistens keine Stimme haben, und so wartet man noch immer auf den Film, der endlich mal zeigt, welche Zerstörung dieser Krieg in den Ländern da hinten wirklich anrichtet.

 

   Scotts Film findet deutliche Worte zum CIA, dosiert Actionelemente recht geschickt, argumentiert verhältnismäßig differenziert und lässt erstaunlicherweise nie den Verdacht aufkommen, er benutze sein Thema nur als illustren Hintergrund für banale Propaganda. Gänzlich ärgerlich und überflüssig ist allein Ferris’ Liebegeschichte mit Aisha, der jordanischen Ärztin, die ihn angreifbar und menschlich machen soll, die aber zu keinem Zeitpunkt glaubwürdig entwickelt wird und in diesem Kontext schlicht fehl am Platze ist. Ferris wird ganz plötzlich zu einem klassischen romantischen Helden, was er zuvor ganz und gar nicht war, und obwohl man sich natürlich inmitten all des Drecks, der Gewalt und des Chaos’ nach etwas Ruhe und Menschlichkeit sehnen mag, wirkt diese Episode wie eine allzu platte Anbiederung an das ganz breite Publikum (das Filme wie diesen sowieso nicht sehen wird). Davon abgesehen ist dies sehr spannende, technisch gewohnt brillant orchestrierte Unterhaltung mit Tiefgang und drei exzellenten Hauptdarstellern, die ihren jeweiligen Typ sehr glaubwürdig herüberbringen und doch nicht zu Klischees erstarren. Ich werde von Ridley Scott vermutlich niemals erwarten können, den einen perfekten Politthriller zu machen, aber für’s erste ist ihm hier einer seiner besseren Filme gelungen, und ich persönlich kann damit ganz gut leben. (8.12.)