Cassandra’s Dream (Cassandras Traum) von Woody Allen. England, 2007. Colin Farrell, Ewan McGregor, Hayley Atwell, Sally Hawkins, Tom Wilkinson, Phil Davis, John Benfield, Clare Higgins
Mit Cassandra’s Traum, einem Boot, das sich die Brüder Terry und Ian von einem gelungenen Wetteinsatz kaufen, beginnt und endet dieses Drama, und weil das Boot eben so heißt, ahnen wir von Anfang an Unheilvolles. Die beiden sind nicht gerade geborene Gewinner, ein unsteter, dem Alkohol und dem Glücksspiel zugetaner Filou der eine, ein windiger, wenig greifbarer Schaumschläger der andere. Beide träumen vom großen Coup, vom großen Geld, der eine will seiner Freundin endlich ein standesgemäßes Heim bieten, der andere will seiner neuen Flamme, einer verwöhnten Schauspielerin gefallen. Beide geraten in akute Schwierigkeiten, der eine verliert beim Poker unmäßig viel Geld, hat aber gerade ein Haus gekauft, der andere kriegt das angepeilte Geschäft nicht unter Dach und Fach, hat sich aber bei der Flamme weit aus dem Fenster gelehnt bezüglich der gemeinsamen Zukunft in Kalifornien. Der reiche Onkel aus Amerika soll’s richten, so wie er es immer gerichtet hat in der Vergangenheit, doch diesmal verlangt der Herr bei seinem Besuch in London eine Gegenleistung für die Kohle. Die beiden sollen einen lästigen Menschen beseitigen, der den Onkel bei schmutzigen Machenschaften erwischt hat und nun an die Öffentlichkeit zu gehen droht. Beide Brüder sind zunächst entsetzt, doch dann will’s der eine doch machen und überredet den anderen und damit setzt sich der Malstrom des Schicksals in Gang, an dessen Ende eine für beide tödliche letzte Fahrt auf „Cassandra’s Dream“ steht.
Die Macht des Schicksals oder die Unausweichlichkeit des Schicksals, darum ungefähr dürfte es gehen in Woody Allens drittem, und wie man liest auch letzten englischen Film, der sich qualitativ einreiht zwischen dem fabelhaften „Match Point“ und dem eher schwachen „Scoop“, der erstgenanntem in jeder Hinsicht aber doch deutlich näher steht. Eine Art Krimidrama über die Mechanismen, die Menschen dazu führen, Unrecht zu tun, und weil es um Mechanismen geht, ist die betonte Konstruiertheit des Plots durchaus gerechtfertigt. Sehr sorgfältig und detailliert, in bestechend schönen Bildern von Vilmos Zsigmond lässt Woody Allen die Geschichte auf die unvermeidliche Katastrophe zusteuern, ein Zahnrädchen greift sauber ins andere, vieles ist für uns durchaus vorhersehbar, doch was bei anderen Filmen vielleicht störend oder platt wirken würde, entfaltet hier durchaus eine beträchtliche Spannung. Anders als in „Match Point“ ergeben sich die Konfliktlinien hier sehr früh, man erlebt die chronische Geldnot der beiden Brüder, beobachtet ihren Hang zu dubiosen Deals und extravaganten Risiken, der in keinem guten Verhältnis zu ihren ausgesprochen bürgerlichen Werten und Erwartungen steht, weswegen die beiden in einem ständigen Spannungsfeld zwischen diesen beiden Gegenpolen leben. Allen zeigt ein sehr gutes Gefühl für diese Spannung und es gelingt ihm vortrefflich, uns von vornherein in eine Art kritische Kumpanei zu manövrieren, denn einerseits mögen wir beide durchaus, andererseits sind uns ihre Täuschungen und Selbsttäuschungen reichlich suspekt. Als dann Onkel Howard die Karten auf den Tisch legt, entwickelt sich die Chose zu einem Drama um Gewissen, Schuld und Sühne. Hier kommt wieder der Bergmanfan Woody Allen durch, und sogleich werden die Dialoge gestelzter, steifer, ungelenker und plakativer, was meinem Vergnügen zwischendurch doch recht abträglich war, zumal sie aus dem Munde zweier so moderner Darsteller wie Farrell und McGregor auch irgendwie deplaziert klingen. Immerhin zieht die Spannung bis hin zum Mord und auch danach gehörig an, jegliche Gewaltdarstellung unterbleibt angenehmerweise, und der Kampf der beiden Brüder, nach dem Verbrechen ins gewöhnliche Leben zurückzukehren, wird in den Mittelpunkt gestellt. Ian verdrängt besser, wirkt kälter und abgeklärter, Terry hingegen leidet und jammert und wird schließlich auch die ganze Sache schmeißen, denn er will sich stellen, um sein Gewissen zu erleichtern. Das Finale auf dem Boot ist dann angesichts der zuvor so intensiv aufgebauten Dramatik relativ mau, man sieht deutlich, dass Woody Allen einfach kein Regisseur für solch physische Sachen ist, er zeigt was er glaubt zeigen zu müssen, aber er gewinnt dieser letzten Fahrt recht wenig Überraschendes ab, es kommt wie es kommen musste und damit ist die Prophezeiung quasi erfüllt.
Farrell und McGregor haben viel Raum und nutzen ihn für äußerst glaubhafte, intensive Charakterstudien, Tom Wilkinson ist großartig wie immer, nur die Frauen stehen arg im Hintergrund, fungieren zumeist nur als Funktionsträger und Stichwortgeber ohne viel Tiefgang, und wenn ich Sally Hawkins’ Rolle mit der in Mike Leighs Film vergleiche, kann ich nur sagen, dass Woody Allen hier sehr viel Potential verschenkt hat. Alles in allem aber ist ihm ein streckenweise eindrucksvolles, starkes Drama mit einigen Schwächen gelungen, das nicht ganz so überzeugend ist wie „Match Point“, aber dennoch eine gute Alternative zu den zuletzt meistens eher unauffälligen Komödien darstellt. Mal schauen, wohin er sich demnächst wenden wird. (21.7.)