Du levande (Das jüngste Gewitter) von Roy Andersson. Schweden, 2007. Jessica Lundberg, Elisabeth Helander, Björn Englund, Leif Larsson, Ollie Olsson, Birgitta Persson, Kemal Sener, Håkan Angser
Am Schluss nach neunzig Minuten monochromer Tristesse ganz plötzlich: Sonnenschein! Die Leinwand scheint zart zu erleuchten, es kommen tatsächlich vorsichtig Farben ins Spiel, doch unsere Freude, oder besser gesagt, Erleichterung über diesen scheinbar optimistischen Ausblick nach vorn wird jäh gestoppt von finalen Bild, das eine Staffel B 52-Bomber oder ähnliche zeigt, die eine digitale Großstadt überfliegen, stumm und drohend und natürlich völlig kommentarlos. Auf gleiche Weise kratzt Roy Andersson häufiger am Zynismus vorbei, wenn er uns zuvor eine lange Reihe von Stillleben präsentiert, bewegungslos aufgenommene Szenen aus dem Leben kleiner Leute. Groteske, fast beckettsche Clowns mit weißgeschminkten, fahlen, ausdrucksleeren Gesichtern auf der Straße, auf Parkbänken, in Kneipen, in der Schule, in Geschäften und in Wohnungen in Alltagssituationen mal allein, mal zu zweit, doch das Grundgefühl von Leere, Einsamkeit, Ödnis liegt über allen Szenen, egal wie viele Leute beteiligt sind. Die Welt in diesem Film ist farblos, eng und menschenleer, die Kamera bewegt sich keinen Millimeter, das Farbspektrum reicht von blassgrau über blassbraun zu blassgrün oder so, als Hintergrund fungiert eine digital eingerichtete Städtelandschaft im Ausschnitt, vor dem sich das karge, reduzierte Leben abspielt.
Der gelegentlich zum Vorschein kommende trockene bis schwarze skandinavische Humor, der mit zunehmender Spieldauer allerdings abnimmt, kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass uns Herr Andersson hier nach seinem apokalyptischen „Songs from the 2nd floor“ wenig Hoffnung oder Zuneigung spendet. Mit unbeteiligter, in gewisser Weise fast mitleidloser Miene seziert er kleinbürgerliches, eintöniges Dasein, zeigt durchaus Gefühle wie Trauer, Frust oder auch Liebe und Bewunderung, doch tut er dies aus solcher Distanz und mit so wenig Regung, dass man als Zuschauer ebenfalls in dieser Position verbleibt und sich das Treiben der bleichen Bürger fast wie eine Freakshow ansieht. Sensible Gemüter mögen sich eingeladen fühlen, Parallelen zur eigenen Existenz herzustellen, doch macht es uns robusten Typen die strenge Stilisierung leicht, uns zu distanzieren und zu glauben, all das habe nichts mit uns und unserem Leben zu tun. Dabei gelingen Andersson zwischendurch immer wieder bestechend klare und genaue Abbilder des Durchschnittsalltags und wenn man die Maskierung durch das Groteske und Absurde beiseite lässt, könnte der Film vielfach als allgemeingültige, universale Darstellung durchgehen, die für meinen Geschmack allein darunter leidet, dass der Spielleiter zu alledem keine eigene Position bekennt. Es muss dies beileibe keine fröhliche, mutspendende Position sein, nur ziehe ich es vor, mit einer Haltung konfrontiert zu werden, mit der ich mich dann auseinandersetzen kann, statt einfach einen, wenn auch absichtsvoll, monotonen Reigen vorgesetzt zu bekommen, der fast rituell stets in die Ansage des Kneipiers mündet: Letzte Bestellung, morgen ist auch noch ein Tag.
Wie der erste Film Anderssons überzeugt auch dieser durch seine konsequente, durchdachte, kunstvolle Gestaltung und seinen Mut zu kompromissloser Sperrigkeit und Eigenwilligkeit, und es lassen sich durchaus einige Motive und Gedanken mitnehmen, doch werden sich viele Zuschauer dazu verleitet fühlen, nach einer halben Stunde oder so einfach abzuschalten, weil spätestens dann die Botschaft (aber eigentlich gibt’s ja keine...) angekommen ist und Andersson nichts neues mehr zu sagen hat. Im Ansatz also mal wieder beachtlich, im Ganzen aber vielleicht nicht so geglückt wie ich es gewünscht hätte. (7.4.)