Die rote Zora von Peter Kahane. BRD/Schweden, 2007. Linn Reusse, Jakob Knoblauch, David Berton, Pascal Andres, Nora Quest, Woody Mues. Ben Becker, Dominique Horwitz, Mario Adorf, Hilmi Sözer
Kurt Helds Roman ist über sechzig Jahre alt und Teil der Kindheit meiner Eltern, und nicht nur meiner Eltern, wie man erfährt, wenn man sich umhört. Die zentrale Botschaft von Freundschaft, Solidarität und Menschlichkeit ist zeitlos, das Gegenüber von reich/korrupt und arm/integer ebenso, weshalb eigentlich auch niemandem auffallen würde, dass diese Geschichte bereits zwei, drei Generationen auf dem Buckel hat. Die Idee, sie neu zu verfilmen, ist nicht verkehrt in Zeiten globaler Pixeldominanz, und ein solider Abenteuerfilm für Kinder ist auch für mich noch immer eine feine Sache, zumal ich bei dieser Gelegenheit gleich Erinnerungen an den schönen Kroatienurlaub im letzten Jahr auffrischen konnte, denn zuallererst ist dies ein Film, der mit seinen optischen Reizen wuchern kann und das auch tut. Leider ein bisschen auf Kosten der Substanz.
In einem kleinen dalmatinischen Küstenort irgendwann in den 30er Jahren regiert der machtbewusste Bürgermeister, tatkräftig unterstützt vom mächtigsten Kaufmann am Ort, der ein Monopol für den Fischhandel für sich beansprucht und zu diesem Zweck den einerseits den eitlen, einfältigen Ortsvorsteher bei jeder Gelegenheit umschmeichelt und beeinflusst und andererseits die kleinen Konkurrenten rücksichtslos aus dem Wege boxt. In die Parade fährt ihm mit schöner Regelmäßigkeit die Bande der Roten Zora, die sich selbst die Uskoken nennen und in einer Burgruine weitab in den Bergen hausen. Vier Kinder ohne Familie, die sich von dreisten Fischzügen ernähren, aber im Grunde niemandem etwas zuleide tun. Zu ihnen stößt der Junge Branko, der seine Mutter verlor und nun den Vater sucht, der als Geiger unterwegs ist. Zu fünft sind sie erfolgreicher denn je, helfen auch noch ihrem besten Freund, dem alten Fischer bei der Thunfischernte, und erst als Branko sich in die Tochter des Bürgermeisters verguckt und bei ihr Geig lernen will, ziehen dunkle Wolken auf. Am Schluss aber wird die Bande in aller Öffentlichkeit rehabilitiert, die Kinder finden jeweils eine neue Familie, was sie aber nicht daran hindert, im Herzen noch immer wilde, ungebändigte Uskoken zu sein.
Eine wunderbar farbenprächtige, romantische Erzählung vor grandioser Kulisse, und Held selbst nimmt sich in seinem langen Buch durchaus viel Zeit, um die einzelnen Charaktere dieser archaischen Gesellschaft und diese selbst im Ganzen eingehender vorzustellen. Nun stellt das Publikum des 21.Jahrhunderts aber andere Ansprüche an patente Leinwandunterhaltung, und der Regisseur Peter Kahane, einst ein vielversprechender Mann in der DDR, nach der Wende aber flugs im westdeutschen TV-Niemandsland versumpft, wollte sich diesem Standard offenbar nicht entgegenstellen, weshalb er so gut wie jeden Tiefgang verbannt und zum Teil durch geradezu ärgerlich platte Stereotypen ersetzt hat. Die Kinder gehen im Ganzen noch (nur die Schauspieler sind sehr uneinheitlich), die Erwachsenen jedoch geraten bis auf Mario Adorfs Fischer zu jämmerlichen Witzfiguren, und wenn man es nicht besser wüsste, müsste man annehmen, dass Leute wie Ben Becker und Dominique Horwitz auch im ernsthaften Kulturbetrieb bestenfalls Knallchargen sind und keine erstklassigen Bühnendarsteller. So schlecht habe ich die beiden wohl noch nie gesehen, was allerdings einzig an ihren äußerst lieblos und grob zurechtgeschusterten Rollen liegt. Gleiches gilt für die beiden Dorfpolizisten, die Deppen aus längst vergangenen Zeiten sind, und wenn man wirklich einen zeitgemäßen Film machen will, dann müssen halt auch solche Klischees weg. Von den teilweise grotesk schlechten Digitaleffekten (Stichwort Thunfische und Octopus!) soll hier nicht gesprochen werden, die könnten am Ende fast schon wieder charmant wirken. Mir hat das zu einem Teil den Spaß verdorben, weil ich auch finde, dass man damit den jungen Zuschauern unrecht tut, denn ganz so dick und doof muss man wirklich nicht auftragen, um ihnen verständlich zu machen, worum es geht. Linn Reusse als Zora ist dagegen klasse und gibt dem Film sehr viel Frische und Drive, und die herrlich mediterran leuchtenden Bilder (es wurde in Montenegro gedreht) sind zum Schwärmen schön und haben mich immer wieder entschädigt für den zwischenzeitlichen Verdruss über einen Film, der wie gesagt eine tolle Geschichte erzählt, sich aber konzeptionell nicht entscheiden kann zwischen gestern und heute und sich folglich in die Mitte setzt, was aber am Ende niemanden wirklich zufrieden stellen kann, nicht unsere Mütter und Väter, die ein Stück eigene Kindheit mit dem Roman verbinden, und auch nicht die Kids von heute, die einfach nur cooles Entertainment sehen wollen. (27.1.)