La fille coupée en deux (Die zweigeteilte Frau) von Claude Chabrol. Frankreich, 2007. Ludivine Sagnier, Benoît Magimel, François Berléand, Mathilda May, Caroline Sihol, Etienne Chicot, Marie Bunel, Valeria Cavalli

   Eine Frau zwischen zwei Männern in der Version vom Herrn Chabrol, da ahnt man schon, dass das weder nett noch romantisch noch unverbindlich wird, und sehr richtig, auch in seinem soundsovielten Werk hat der alte Knabe mit offensichtlich nie ermüdender Boshaftigkeit seinen unverwechselbaren Blick auf die französische Bourgeoisie gerichtet, diesmal die Kulturschickeria Lyons, wobei die genaue Verortung eigentlich nebensächlich ist, denn es geht in einem typischen Chabrolfilm immer um die gleichen Dinge: Macht, Intrige, Neid, Sex, Rivalität, Lüge. Ein Universum, in dem man sich zwar nicht wohlfühlt, in dem man sich aber immer wieder schnell zurechtfindet, und das uns vom Meister mit gelegentlichen kleinen Variationen doch noch schmackhaft gemacht wird.

   Gabrielle, ein junges Mädchen, bekannt als Wetterfee im Fernsehen, wird zugleich von einem älteren Schriftsteller und einem jungen Mann umworben und von beiden gleichermaßen benutzt. Der Ältere, Charles, ein graubärtiger Bonvivant mit Ehefrau und gutem Ruf in intellektuellen Kreisen, ist von der erotischen Ausstrahlung des Mädchens fasziniert und führt sie ein in seine geheime Welt (sprich in einen exklusiven Klub mit exklusiven Spielen im Obergeschoss...), will sich jedoch nicht für sie entscheiden und lässt sie nach Belieben einfach fallen, wenn sie ihm zu anstrengend wird. Der Jüngere, Paul, ein penetranter, verwöhnter, neurotischer Schnösel und Erbe einer lokalen Industriellensippe, fordert Gabrielle für sich als Eigentum, nicht weil er sie liebt, sondern weil er gewohnt ist zu bekommen, was er begehrt und weil ihn die Konkurrenz mit Charles anstachelt. Er heiratet sie, obwohl er weiß, dass sie den anderen liebt, und schließlich erschießt er den Rivalen in aller Öffentlichkeit. Die Familie bedrängt Gabrielle, zu Pauls Gunsten auszusagen, und nachdem sie das tatsächlich getan hat, wird sie mit unverhohlener Verachtung verstoßen. Zuletzt sehen wir sie mit ihrem Onkel im Zirkus auftreten, und dort erklärt sich dann auch der Title des Films, denn er lässt sie scheinbar von einer Kreissäge in der Mitte durchteilen.

 

   Die Geschichte ist wirklich nicht neu und zu meiner großen Überraschung hat sich Chabrol für das Finale keinen Knalleffekt ausgedacht, sondern lässt das Ganze ruhig und unerbittlich auslaufen, gewährt uns lediglich einen letzten großen Blick auf Gabrielles Gesicht, der uns sagt, dass sie aus alledem vielleicht halbwegs heil herauskommen könnte. Das ist aber alles und schon ein bisschen wenig, wenn man von einem wie Chabrol eigentlich doch raffinierten Dreh erhofft, den dramaturgischen Kniff, der dem konventionellen Drama noch das gewisse Etwas gibt. Gleichviel, es passiert nicht, vielleicht weil Chabrol mittlerweile zu abgeklärt und gelassen für solche Spielchen geworden ist, vielleicht weil ihm schlicht nichts besseres einfiel, aber ganz so tragisch fand ich das diesmal nicht, denn so wie er die Geschichte erzählt, erweist er sich doch einmal mehr als ein großer Experte seines Fachs. In klaren, schön gerahmten Bildern, ohne jeden unnötigen Schnörkel oder billigen Effekt, entwirft er mit meisterlicher Ökonomie ein spannendes Psychogramm, ein erotisches Duell, das anders als bei Polanski nicht explizit und hitzig wird, sondern immer schön zivilisiert bleibt, zumindest an der Oberfläche, während aber dicht darunter bereits Bösartigkeit, Aggressivität und Dekadenz lauern. Unsere beiden männlichen Protagonisten kriegen ordentlich ihr Fett weg – besitzergreifende, im Grunde primitive Egozentriker, die um Gabrielle raufen wie um ein Prestigeobjekt, und auch wenn man zwischendurch den Eindruck hast, wenigstens Charles’ Gefühle seien halbwegs echt, so entpuppt auch der sich schlussendlich doch als Feigling und Heuchler, der das schöne, unverbrauchte Mädchen nur für den Zeitvertreib braucht, für eine Beziehung jedoch keine Verantwortung zu übernehmen bereit ist. Ein vermeintlich kultivierter, lebenserfahrener Macho, den Berléand mit feinem Strich hinpinselt und eine sehr überzeugende Figur abgibt. Paul hingegen macht es uns von Anfang an leicht, ihn abstoßend und grotesk zu finden. Sein Charakter ist recht überzeichnet und schrill, und Magimel hat innerhalb dieses Konzepts auch keine wirkliche Chance, ernsthaft und differenziert zu agieren. Paul gibt sich unerträglich großmäulig, versnobt und herablassend, ein stinkreicher, verwöhnter Arsch, der am Rockzipfel von Mama hängt und überhaupt nicht in der Lage wäre, eine Beziehung zu führen. Zwischen ihnen Gabrielle, aus eher einfachen Verhältnissen, jung und forsch und doch verletzlich und beeinflussbar, absolut keine männermordende, intrigante, starke femme fatale, sondern eher eine Projektionsfläche für männliche Fantasien, und eine tolle Rolle für Ludivine Sagnier, die genau die richtige Schauspielerin dafür ist, und ihr vor allem verdankt der Film viel von seiner Glaubwürdigkeit und seiner Intensität, zumal Chabrol ihren Part auch besonders feinfühlig, komplex und vielschichtig ausstattet und sie in unseren Augen immer wieder von einer anderen Seite zeigt. So kann ich den eleganten, spielerisch leichten Fluss der Erzählung zwischendurch sehr wohl genießen, die dezent bissigen Seitenhiebe gegen die Haute Volée sowieso, und mit den erwähnten Einschränkungen die hervorragenden Darsteller. Dass der gut auf die Achtzig zueilende Knabe uns nicht mehr tief verstört oder provoziert wie einst, hat man wohl seit längerer Zeit akzeptiert, dass er weiterhin hintergründige Unterhaltung auf hohem Niveau präsentiert, ist schon ein Verdienst, den ich beileibe nicht gering schätze, zumal mir allzu häufig vor Augen geführt wird, wie schwierig das zu sein scheint. (17.1.)