Elizabeth – the Golden Age (Elisabeth – das goldene Königreich) von Shekhar Kapur. England, 2007. Cate Blanchett, Abbie Cornish, Clive Owen, Geoffrey Rush, Rhy Ifans, Samantha Morton, Jordi Molla

   Zehn Jahre nach seinem ersten Elisabethfilm hat Shekhar Kapur nun also noch einen draufgepackt und uns zwei weitere aufregende, temperamentvolle, prächtige Stunden Historienkino verabreicht, indem er die ereignisreichen Jahre 1587 und 1588 in den Mittelpunkt stellt, also den Tod Maria Stuarts und den Kampf gegen die Spanische Armada. Mitten rein geht’s ins volle Leben, in die Auseinandersetzungen mit dem katholischen Erzrivalen, die gern auch weit draußen auf See in den neu zu erschließenden Kolonien Westindiens ausgetragen wurden, und in die Auseinandersetzungen mit den Anhängern Maria Stuarts, die in einem Attentat und der darauf folgenden Verurteilung der katholischen Thronanwärterin gipfeln. Die spanische Krone nimmt die Hinrichtung der prominenten Glaubenschwester als den letzten nötigen Anlass und schickt die riesige Armada auf den Weg, über hundert Schiffe, für die man das Land praktisch waldfrei gemacht hat, um England den Garaus zu machen. Elisabeth, die selbst mit der von ihrem Chefsekretär Francis Walsingham stark befürworteten Hinrichtung Marias nicht glücklich ist, malt ihren Untergebenen die zu erwartenden Schrecken der katholischen Inquisition aus (obwohl, ihre Folterknechte waren auch keine Kinder von Traurigkeit...), appelliert in flammenden Reden an den Kampfgeist und den Patriotismus ihres Volkes, und mit Hilfe einiger gelungener Listen und eines starken Sturms wird die als unbesiegbar geltende Armada tatsächlich in die Flucht geschlagen. Darauf, so behauptet der Film, brach in England bis zum Tode der Königin fünfzehn Jahre später, eine Zeit wirtschaftlicher und kultureller Blüte, der religiösen Unabhängigkeit, der Freiheit und der Toleranz an, das sogenannte elisabethanische Zeitalter eben, bevor dann, wie man weiß, die Stuarts im siebzehnten Jahrhundert alles versauten.

   Es muss deutlich festgestellt werden, dass es Kapur mit der Geschichte nicht allzu genau nimmt, obwohl ich gar nicht mal weiß, warum er so viele Fakten verändert oder wenigstens anders gewichtet hat. Er konstruiert eine romantische Dreiecksgeschichte mit der Königin, dem Seefahrer, Kolonialisten und Entdecker Sir Walter Raleigh und der Hofdame Elizabeth Bess, der zuvor engsten Vertrauten der Tudormonarchin. Hier werden die tatsächlichen Abläufe arg zurechtgedrechselt, um in das Schema einer spannungsreichen Liaison zu passen – die Heirat Raleighs mit Bess wird vorgezogen, die Einführung Raleighs an den Hof wiederum um einige Jahre nach hinten verlegt, und obwohl Raleigh in den einschlägigen Texten als Günstling der Königin auftaucht, habe ich nirgendwo etwas von einer Liebesbeziehung gelesen. Zum Ausgleich wird der notorische Robert Dudley völlig weggelassen und Raleighs Rolle bei der Schlacht gegen die Armada unzulässig aufgebläht. Leider ist nicht mal belegt, dass der Gute daran teilgenommen hat, und der arme Sir Francis Drake hat allen Anlass, sich wutentbrannt im Grabe umzudrehen, denn eigentlich gebühren zum großen Teil ihm die Lorbeeren für den Sieg. Im Film aber erscheint er nur ganz am Rande, während Raleigh all die guten Ideen hat und sich todesmutig in die flammenden Fluten stürzt. Überhaupt wird der gesamt Ablauf des Kampfes mit den Spaniern reichlich verkürzt, was ich wiederum nicht so schlimm finde, denn Kapur hat den Schwerpunkt ganz deutlich nicht auf militärische Action gesetzt sondern eher auf das Private, Persönliche, und da genügen ein paar kurz angerissene Rauferien absolut. Lustig immerhin – nachdem früher gern der tollkühne Sir Francis Drake als dreister Pirat und zugleich romantischer Widerpart zur jungfräulichen Königin auftauchte, wird nun Raleigh diese Rolle zugeschustert, obgleich dies historisch noch viel weniger haltbar ist. Apropos Geschichtsklitterung: Was die im Abspann bejubelten Errungenschaften des elisabethanischen Zeitalters angeht (von wegen Frieden und Freiheit) – ich kenne da eine Insel gerade westlich von England, die unter Liz der Ersten besonders intensiv kolonialisiert wurde und deren Bewohner bestimmt eine ganz andere Meinung von den Tugenden der alten Jungfrau und ihrer Untertanen haben!

   Normalerweise sind dies für mich genügend Gründe, um einen Film rundweg abzulehnen, komischerweise jedoch hat mir der hier dennoch ziemlich gut gefallen, und das hängt vor allem mit seinen bemerkenswerten künstlerischen Qualitäten zusammen. Kapur erweist sich einmal mehr als fabelhafter Regisseur und Erzähler, er geht unerhört leidenschaftlich und voller Energie zu Werke und montiert ein beeindruckend intensives, über die gesamte Strecke hoch spannendes und faszinierendes Drama mit tollen, kraftvollen, leuchtenden und mit dynamischem Strich entworfenen Bildern, plastischen Charakteren und Schauspielern, die absolut auf der Höhe dieses Konzeptes sind. Natürlich ist Cate Blanchett für ihre Rolle viel zu jung (die wahre Liz war zu dieser Zeit schon Mitte fünfzig!), aber sie ist dennoch einfach toll, genau wie Abbie Cornish als junge Freundin und zugleich Rivalin, Geoffrey Rush als der zwiegespaltene Walsingham, der letztlich auch nicht alle Intrigen der Feinde zu durchschauen vermag, Clive Owen als romantischer Held, auch wenn er nicht wirklich viel zu tun hat, und Samantha Morton als Maria Stuart, deren Rolle ebenfalls gern etwas größer hätte ausfallen können. Kapurs Film ist weder seicht noch schlicht, egal wie historisch inakkurat er sein mag. Er zeigt die Königin zum Teil als starke, entschlusskräftige Frau (immerhin die Tochter Heinrichs des Achten), zum Teil als bangende, zögernde und zagende Herrscherin, die vielen Anwürfen und Intrigen ausgesetzt ist und sich gewissen Zwängen beugen muss wider ihres Gewissens und Gefühls. Gerade die Hinrichtung Marias erscheint ihr als falsch und unwürdig und sie wehrt sich lange, muss aber doch Walsinghams Druck nachgeben, bis dieser später gesteht, damit einen großen Fehler begangen zu haben. Die Entschlossenheit im Kampf gegen den Katholizismus hat sie von ihrem Herrn Papa geerbt, ihre oftmals aufgezwungene Enthaltsamkeit sicherlich nicht, aber diese hat immerhin vielen Spekulationen und Dichtungen nachfolgender Zeiten fruchtbare Nahrung gegeben und ist auch hier sehr wirkungsvoll, wenn ihr geheimes Sehnen nach Liebe und Körperlichkeit in Konkurrenz zur Staatsraison und der Vernunft tritt. Gerade in den intimen, kammerspielartigen Momenten sind die Schauspieler großartig zusammen, und Kapur hat ihnen viel Raum gegeben und das Spektakel wie schon gesagt sehr vernünftig in den Hintergrund gestellt, was ja im herkömmlichen Hollywoodfilm genau umgekehrt läuft.

   Wuchtiges, eindrucksvolles Vollblutkino also, würdig eines echten Bollywoodregisseurs, und mögen Historiker und Iren auch mit voller Berechtigung die Stirn runzeln, so kann man als Kinogänger doch eine brillant orchestrierte Kinovorstellung genießen. (9.1.)