Nachdem Gurinder Chadha ihre zwei letzten Komödien dem Frauenfussball respektive Jane Austen widmete, dringt sie nun vor zum Kern der Sache, denn auch in den oben genannten Filmen geht es natürlich eigentlich nur um die wahre Liebe, die Selbstfindung, dass Bemühen um Orientierung und einen eigenen Platz im Leben. Hier nun taucht Chadha ein in die mysteriöse Welt vierzehnjähriger Schuldmädchen und geht existentiellen, wahrhaft elementaren Fragen auf den Grund.
Georgia lebt in Eastbourne und ist vierzehn. Das eine ist schon schlimm genug, das andere geradezu ein Desaster, denn logischerweise kreisen die Gedanken, Träume, Sehnsüchte und Utopien ihrer vierköpfigen Mädchenclique nur um ein Themenfeld: Jungs und Sex. Den Traumprinzen kriegen, den Sexgott, den perfekten Küsser, der aus der internen Skala mindestens an die sechs, sieben heranreicht, denn alles was noch höher kommt, ist lediglich Gegenstand kichernd geraunter Phantasien. Georgia und ihre Clique muss sich mit den unvermeidlichen Schulbeauties messen lassen, und das sieht natürlich schlecht für sie aus: Gefakte Oberweite, makelloser Teint und signalblondes Wallehaar machen auf die Hormondeppen an der Schule allemal mehr Eindruck als die unscheinbaren, aber gewitzten und netten Girls, die sich dennoch nicht von ihren Träumen abbringen lassen. Als eines Tages ein schnuckeliges Zwillingspärchen an der Schule auftaucht und prompt die gesamte Mädchenwelt dort in Aufruhr versetzt, stürzen sich Georgia und ihre beste Freundin Jas voll rein in den Wettbewerb, und was aussichtslos als lange Serie von Peinlichkeiten beginnt, endet in einem monumentalen Triumph.
Gegen den ich schon einiges einzuwenden habe und der mir auf der Zielgeraden so ein bisschen den Gesamtspass getrübt hat. Chadha rührt tatsächlich in den letzten fünf Minuten ein derart totalitäres Happy End an, dass mir einfach zu viel war, viel zu dick aufgetragen. Die Guten kriegen ihre Jungs, die Bösen werden öffentlich an den Pranger gestellt, Dad zieht doch nicht nach Neuseeland, und der Typ, den Mom die ganze Zeit angeschmachtet hatte, ist gottlob schwul, Robbies Band schlägt voll ein, und sogar der linkische Profiküsser, der es ja eigentlich die ganze Zeit auf Georgia abgesehen hatte, kriegt sein Mädchen und ist hinreichend froh. Diese bonbonfarbene Utopie ist natürlich ironisch überzeichnet, aber mir erscheint sie doch insgesamt zu dick und klebrig und auch nicht nötig, denn gute Laune hätte man auch so gekriegt.
Denn Chadha hat ein fabelhaftes Händchen für solche Filme und solches Personal. Sie verzichtet diesmal (leider) auf ihren sonst so erfrischenden und temperamentvollen Multikultibackground (hätte vielleicht nicht nach Eastbourne gepasst), mixt aber die Girls farblich immerhin bunt zusammen, ohne daraus nun eine Ethnokomödie zu machen. Mit entwaffnendem Schwung und viel Liebe und Witz widmet sie sich dem chaotischen Gefühlsleben pubertierender Girls, und wer sich als harter Kerl in diesen Film reintraut, wird entweder manches womöglich besser verstehen, oder sich zumindest damit trösten, dass niemand, die Protagonistinnen inklusive, die Irrungen und Wirrungen der Mädchenwelt versteht. Neben den launischen, zickigen, kämpferischen, intriganten, solidarischen, verführerischen und gnadenlos albernen Girlies wirken die Boys natürlich wie eindimensionale Dummbären, wobei die besagten Zwillinge über ein für ihr Alter geradezu epochales Einfühlungsvermögen und Sensibilität verfügen, sodass man fast geneigt ist, sie als Außerirdische zu sehen. Nur so ist es allerdings auch zu erklären, dass ein Sahneschnittchen wie Robbie (hat meine minderjährige Begleitung gesagt!) ausgerechnet auf die unscheinbare und nach herkömmlicher Denke alles andere als attraktive Georgia verfällt, die zwar sehr nett und originell ist, aber in ihrem wilden Eifer auch keine Gelegenheit zum totalen social suicide auslässt. Aber wie schon gesagt, der Weg ist das Ziel und über der einen oder anderen Logiklücke sollte man sich nicht zu lange aufhalten. Das ist auch fast kein Problem, denn der Ton stimmt, die frechen, flotten Sprüche sind zum Teil hinreißend, das Milieu (mal miefig kleinstädtisch, dann wieder touristisch und weltoffen) wird in tollen Bildern festgehalten, die Schauspieler haben sichtlich ihren Spaß, und Chadha selbst wirft ihre ganze Zuneigung zu den Figuren, ihre bedingungslose Solidarität zu Georgia und ihrer Sicht der Dinge, und ihr Temperament als tolle Regisseurin in die Waagschale und reißt damit eigentlich alles raus. Bei „Bride and prejudice“ hatte ich mich ja auch schon über die für meinen westfälischen Geschmack allzu schäumenden Emotionsstürme mokiert, beide Filme aber sind ihrer Art entwaffnend, und auch für Eltern (die hier teilweise gar nicht so gut wegkommen) ein feiner Spaß. (4.10.)