Obsluhoval jsem anglického krále (Ich habe den englischen König bedient) von Jiři Menzel. Tschechien/Slowakei, 2006. Ivan Barnev, Oldrich Kaiser, Julia Jentsch, Martin Huba, Marián Labuda, Milan Lasica, Josef Abrhám
Einerseits ist dies ein tschechischer Film für das Museum: Wenn man unbedingt wissen möchte, was den typischen tschechischen Film einzigartig und unverwechselbar macht, dann schaue man sich dieses Werk an. Andererseits aber ist dieser Film für ein Museumsstück sicherlich viel zu lebendig und agil, er sollte gesehen und genossen werden statt auf den Rang eines Ausstellungsstücks reduziert zu werden. Dennoch scheint recht offensichtlich, dass Menzel für seinen ersten langen Film seit fast anderthalb Jahrzehnten gerade jene Charakteristika bemüht hat, die seit jeher den speziellen tschechischen Charme ausmachen.
Auch das Thema und die Herangehensweise sind typisch tschechisch: Ein kurzer Ritt durch die jüngere Geschichte, mal traurig, mal komisch, mal böse, mal bitter. Nach fast fünfzehn Jahren Haft (drei Monate wurden ihm durch die Amnestie geschenkt!) kommt Jan Dítě aus dem Gefängnis, wird in einer verlassenen Grenzgegend angesiedelt, aus der zuvor die Sudetendeutschen gen Westen vertrieben worden waren, und erinnert sich: An die goldenen Zeiten in Prag, wo er in den besten Häusern als Kellner und später als Oberkellner residierte, stets getrieben von dem brennenden Ehrgeiz, das ganz große Geld zu machen, das ganz große Prestige zu ernten und die schönsten Frauen zu haben. Als Vorbild dienten nur die reichsten Geschäftsmänner, deren obszöne Verschwendungssucht und selbstverständliche Weltgewandtheit ihm imponieren und ihn solange einschüchtern, bis er begreift, dass auch sie für eine Handvoll Kleingeld noch auf dem Fußboden umherrutschen würden, und dass es nur einer gewissen Portion Dreistigkeit und Rücksichtslosigkeit bedarf, um auch dorthin zu kommen. Und glücklicher Fügung natürlich, und davon ist hier reichlich die Rede. Immer wieder ebnet sich ihm auf geradezu magische Weise der Weg nach oben (manchmal muss er etwas nachhelfen in Form einer kleinen Intrige oder auch nur eines ausgestreckten Fußes), und es ist kein Wunder, dass er auch die Zeit der Naziherrschaft nicht nur unbeschadet sondern anfangs auch mit glänzenden Erfolgen übersteht. Er ehelicht ein germanisches Weib (Julia Jentsch in einer sehr verschärften Rolle), das völlig besessen ist von ihrem Auftrag, dem Führer möglichst viele rein arische Nachkommen darzubringen und das dementsprechend Jans Herkunft ignoriert und auch seine geringe Eignung zum rassigen Nazi. Leider fällt sie den Wirren der letzten Kriegstage zum Opfer, hat ihm allerdings aus geraubtem jüdischen Besitz eine wertvolle Briefmarkensammlung hinterlassen, die ihm erlauben, auch weiterhin sein Leben als Hotelbesitzer zu fristen. Doch werden ihm die kommunistischen Säuberungen in der Zeit danach zum Verhängnis, sodass fünfzehn Jahre später in der unwirtlichen Wildnis Neubeginn und gleichzeitig Rückbesinnung angesagt sind und der gealterte Jan mit milder Amüsiertheit feststellen kann, dass er immer nur ganz folgerichtig gehandelt hat, stets seiner inneren Stimme und dem Glück gefolgt ist und nur ein einziges Mal, wenn auch mit weitreichenden Folgen für ihn, zum falschen Zeitpunkt das falsche Signal gab, als er irrtümlich glaubte, die eifrigen Kommunisten mit seinem Reichtum beeindrucken zu können in Unkenntnis der Tatsache, dass sich die Werte plötzlich verschoben hatten.
Menzel macht aus dem Roman von Bohumil Hrabal ein liebenswert altmodisches, klassisches Füllhorn geistvoller Szenen. Mal frivol und turbulent, mal skurril und frech, mal grotesk und reichlich bissig, immer ein wenig von der sogenannten Altersweisheit durchzogen aus der Rückschau eines alten Mannes, dessen Interessen durchaus noch diesseitig orientiert sind. Die erste Hälfte ist eine brillante, spöttische und hinreißend komische Satire auf eine Karriere im Kapitalismus vom Würstchenverkäufer zum Hotelmanager, ein Kapitalismus, der sich im Vergleich zu heute protzig, maßlos und dümmlich gibt, dessen Regeln ebenso einfach wie gnadenlos sind und nach denen Jan fortan zu leben beabsichtigt. In der Nazizeit funktioniert das unter leicht geänderten Vorzeichen noch immer, nur kommt jetzt der wahnwitzige ideologische Irrsinn hinzu, den Jan erfährt, als er in ein Projekt à la „Lebensborn“ integriert wird, eine Zuchtstation für den nordischen Menschen, wo blonde, breitbeckige, gebärwillige Arierinnen mit dem Sperma blonder, kerniger, rassisch einwandfreier Arier infiziert werden, um so auf Dauer jede Unreinheit aus dem deutschen Genpool zu tilgen. Menzel bleibt hier im Tonfall komödiantisch, nur sorgt er dafür, dass uns das Lachen im sprichwörtlichen Hals stecken bleibt, ohne dass er dafür irgendwelche Gräuelbilder bemühen muss, denn jedermann weiß natürlich auch so, was in Ländern wie der Tschechoslowakei geschehen ist. Unser Held Jan stolpert durch das zunehmend absurde Geschehen mit den großen Augen des staunenden kleinen Jungen, der seine Raffinesse, die bislang noch nie versagt hat, nur noch reflexartig einsetzt und hoffen muss, dass er irgendwie überlebt. Der Naziwahn hat letztlich eine andere Qualität als die fetten Jahre der Vergeudungssucht, die im Vergleich geradezu liebenswert heiter und naiv waren, doch ist es tatsächlich erst der grimmige Kommunismus, der den Schwindler und aalglatten Karrieremenschen zu Fall bringt. Klar, dass nur Tschechen selbst so über ihre Geschichte schreiben dürfen, doch sind Menzels Humor und seine visuelle Eleganz so bestechend, dass niemals der Verdacht der Seichtigkeit oder Plattheit aufkommt. Der Film ist ein großartiges und hintersinniges Vergnügen, wie es eben nur, tja, die Tschechen hinbekommen. (29.8.)