Vratné lahve (Leergut) von Jan Sverák. Tschechien, 2007. Zdenĕk Sverák, Daniela Kolářová, Tatjana Vilhelmová, Jiři Macháček, Pavel Landovský, Robin Soudek, Nela Boudová, Jan Budar, Martin Pechlát, Vera Tichánková

   Was tun, wenn man zwar schon über sechzig ist, sich selbst aber noch lange nicht zum alten Eisen zählt, wenn man auf seinen Beruf als Lehrer keine Lust mehr hat, als Fahrradkurier aber leider nicht mehr ganz tauglich ist und als Mann von der Leergutannahmesteller im Supermarkt irgendwann todsicher wegrationalisiert wird? Was tun, wenn die Gattin zuhause nach vierzig Jahren einfach nicht mehr so frisch und attraktiv ist wie am ersten Tag und man stattdessen von kribbeligen Tagträumen inklusive Reizwäsche und einladender Dekolletés heimgesucht wird? Was tun, wenn einem die forsche Ex-Kollegin noch immer gefährlich auf die Pelle rückt, die Gattin daheim aber wie eh und je den Braten bereits riecht? Was tun, wenn die eigene Tochter todunglücklich bei Mami und Papi aufschlägt und just von ihrem Mann wegen einer Jüngeren verlassen wurde, und wenn andererseits der nette Ex-Kollege seit langem schon auf Brautsuche ist? Beppo aus Prag hat, wie man sieht, allerhand Probleme, doch weil er ein störrischer und närrischer Querkopf ist und noch nie auf das gehört hat, was die Mitmenschen (erst recht die Gattin!) ihm eingeflüstert haben, und weil er auf seine unkonventionelle Art noch recht vital und voller Ideen ist (allerdings auch nicht immer weiß, welcher Tag gerade ist!), findet sich für fast jede Bredouille ein Ausweg: Die Tochter wird mit dem Ex-Kollegen verkuppelt, die Ex-Kollegin wird mit dem jungen Mann aus dem Supermarkt verkuppelt („So eine Mathestunde habe ich ja noch nie gehabt!“), der Job wird solange gewechselt, bis er endlich in Uniform im Zug als Schaffner landet (und dabei gleich in eins seine erotischen Phantasien weiter leben kann), und die unzufriedene und sich vernachlässigt fühlende Gattin wird auf einem turbulenten Ballonflug besänftigt und sieht dann auch endlich ein, dass sie den alten Spinner in diesem Leben wohl nicht mehr zurechtbiegen kann.

 

   Nach dem sehr laschen und nichtssagenden Trailer war ich halberlei auf einen weiteren Scheißwohlfühlfilm gefasst, bin dann aber aus grundsätzlicher Sympathie zum tschechischen Filmschaffen doch hingegangen und habe es keine Sekunde lang bereut, im Gegenteil, ich habe mich sogar fabelhaft amüsiert über einen der witzigsten und verschrobensten und liebenswürdigsten Filme der letzten Zeit. Über rüstige Leute, die in hohem Alter noch mal richtig auf die Kacke hauen, wurde schon viel mittelmäßiges Zeug zusammengepfuscht, selten nur hat ein Film sich des Themas so sensibel, realitätsnah und zugleich so frech und überraschungsreich genähert wie der hier. Beherrscht und geprägt wird er durch den großartig spielenden Zdenĕk Sverák, der auch das Drehbuch verfasst  und den schrulligen Beppo darin wunderbar vielschichtig angelegt hat. Mal nervt er uns durch sein unentwegtes Gequassel, mal brütet er sie skurrilsten Ideen aus, dann wieder wirkt er verletzlich und alt, und unter dem Strich ist er doch nur ein Mann, den auch im Alter noch die Hormone plagen und der seine Sexualität und seine Sehnsucht noch lange nicht zu den Akten gelegt hat. Gerade diesen Aspekt finde ich besonders stark - mal sind Beppos deftige Phantasien schön ironisch überzeichnet, mal drängt sich in die schönste Strapsen- und BH-Vision plötzlich die Alte von nebenan oder gar die eigene Gattin und ruiniert den Moment, und mal tut das Verlangen regelrecht weh, wenn er nicht weiß, wohin damit. Der Film zeigt hier durchaus keine kuscheligen, gutherzigen Alten, die in trauter Eintracht und Harmonie zusammen leben, sondern zwei sperrige Typen, die auch nach vierzig Jahren noch das alte Mann-Frau-Spiel beherrschen. Sie ist misstrauisch, nörgelig und frustriert, weil er sie als Frau nicht mehr ansieht und nicht mehr begehrt, er geht dem unweigerlichen Gemecker aus dem Weg, wo er kann, flüchtet sich in seine eigene Welt und kann einfach nicht anders, als hübschen Frauen nachzusehen und sich nach ihnen zu sehnen. Dies ist ein Konflikt, den man nicht beschönigen muss, und dementsprechend wird hier auch kein gefälliger Ausweg gezeigt, ebenso wenig wie sich der Autor auf eine Seite schlägt – mal nervt ihre verhärmte Miesepeterei, mal seine Gedankenlosigkeit und Sprunghaftigkeit, und die Zuschauer müssen die Leute hier halt nehmen wie sie kommen. Drumherum spielen sich viele kleine lustige Geschichten mit allerhand schrägen Originalen ab, der Humor ist wunderbar verschmitzt und kommt oft dann, wenn man gar nicht damit rechnet, er funktioniert auf verbaler Ebene am besten, doch auch die stimmungsvollen Bilder, die auf übliche Postkartenklischees verzichten und eher ein alltägliches, gewöhnliches Prag zeigen, unterstützen auf ihre Weise, und insgesamt ist dies ein herrliches Vergnügen mit viel Tiefgang, das scheinbar oft respektlos ist und gerade darin den Alten den höchsten Respekt erweist. Tschechisches Kino ist halt doch immer den Versuch wert! (29.1.)