O’Horten (#) von Bent Hamer. Norwegen, 2007. Bård Owe, Espen Skjønberg, Henny Moan, Kaj Remlow, Bjørn Floberg, Ghita Nørby, Peter Bredal, Peder Anders
Seit soundsovielen Jahren macht Odd Horten die Fahrt von Oslo nach Bergen als Lokomotivführer. Eines Tages: Die letzte Fahrt, die Pensionierung, und ausgerechnet dort verschläft er, und eine Reihe von Missgeschicken leitet eine neue, viel skurrilere und unberechenbarere Reise ein, an deren Ende dann aber doch alles gut wird und Horten offenbar einem friedvollen Ruhestand entgegen sehen darf.
Filme wie „Eggs“ und „Kitchen Stories“ haben schon darauf hingewiesen, dass Bent Hamer ein ganz eigenes filmisches Universum entwirft, eine Parallelwelt voller Absonderlichkeiten, verschroben und sonderbar, dennoch irgendwie auch poetisch und humorvoll. Auf eine Art sehr skandinavisch, etwas kühl und wortkarg und auch unzugänglich, andererseits aber jederzeit versöhnlich und wohlwollend, und wenn man ihn gern mit Kaurismäki vergleicht, so sollte man doch bedenken, dass Hamers Filmen jene essentielle Tristesse und tiefe Melancholie des Finnen abgeht, gerade diesem hier, der doch nicht ganz so schräg ist wie seine beiden norwegischen Vorgänger (die Bukowskiverfilmung „Faktotum“, die ich nicht kenne, mal außen vor gelassen). Er präsentiert uns Odd Horten als knorrigen, eigenbrötlerischen und durchaus liebenswürdigen älteren Herrn, der unversehens in eine Reihe von Abenteuern in Gestalt menschlicher Begegnungen stürzt, mal mit einem kleinen Jungen, dann wieder mit einem rätselhaften Mann, der sich an seine Mutter erinnert, die begeisterte Skispringerin war, damals für Frauen eigentlich noch undenkbar, und der ihr zu Ehren einen nächtlichen Flug von der alten Schanze am Holmenkollen macht. Man ahnt nie recht, in welche Richtung sich die Geschichte entwickelt und lässt sich zusammen mit Horten gern ein wenig treiben, weil man schon ahnt, dass nirgendwo echte Abgründe lauern, sondern dass alles weiterfließt in Richtung auf ein harmonisches Ende, an dem Horten ganz bei sich sein wird, und niemand nachhaltig zu Schaden gekommen ist. Es ist vollkommen sinnlos, Hamers Filme nach tieferer Bedeutung zu erforschen und komplexe Interpretationstechniken zu bemühen, denn mit ihrer eigenwilligen „Logik“ und ihrer verschmitzten Absonderlichkeit entziehen sie sich den gängigen Kategorien von Glaubwürdigkeit oder auch Dramaturgie. Das hat fraglos große Vorteile, hat jedoch gerade bei Hamer oft auch den Nachteil, dass man seien Filme schnell als exotische Sonderlinge abtut und recht bald wieder vergisst, zumal sie sich in ihrer Unaufgeregtheit und bedächtigen Ruhe nirgendwo so recht im Gedächtnis festhaken wollen. Was bleibt, sind eins, zwei markante Gesichter, eins, zwei markante Momente, und einige Wochen später nur noch ein allgemeiner Eindruck, nichts aber, was mich persönlich auf längere Sicht beeindrucken könnte. Ein wenig wie Filme Roy Anderssons, denen eine ähnliche Kunstfertigkeit und Kompromisslosigkeit zu eigen ist, die aber gleichfalls bei mir nur noch schemenhaft präsent sind. Nur merkwürdig ist eben nicht immer genug. (22.12.)