Flammen og Citronen (Tage des Zorns) von Ole Christian Madsen. Dänemark/BRD, 2008. Thure Lindhardt, Mads Mikkelsen, Stine Stengarde, Peter Mygind, Christian Berkel, Hanns Zischler, Mille Lehfeld
Flamme und Zitrone sind die Namen der beiden prominentesten dänischen Kämpfer gegen die Nazibesatzung. Sie gehörten einer Gruppe von Kämpfern an, die geleitet wurde von einem Anwalt namens Winther, der seinerseits vorgab, seine Befehle direkt aus England zu erhalten und sich von Zeit zu Zeit auf Zusammenkünften in Stockholm neue Instruktionen abholte. Die Aktionen der Gruppe sollten sich, so war die offizielle Vorgabe, ausschließlich gegen dänische Kollaborateure richten, doch als Druck und Terror wuchsen (die dänische Polizei hatte sich beim Einmarsch der Deutschen gleichfalls zur Kooperation verpflichtet), wurde innerhalb der Gruppe die Forderung nach Angriffen auf die maßgeblichen deutschen Offiziere und Gestapoleute laut, was jedoch aus taktischen Erwägungen auf keinen Fall geschehen sollte. Madsens Film konzentriert sich zum einen auf diesen Konflikt, zum anderen auf Flammes Beziehung zu Ketty Selmer, einer Frau, die zu beiden Seiten Kontakt zu haben scheint und deren Rolle bis zuletzt undurchschaubar bleibt. Flamme und Zitrone, zwei überzeugte und zunächst kompromisslos gewaltbereite Widerstandskämpfer, geraten mehr und mehr in Konflikte, als Zweifel an ihrer Mission deutlich werden. Sie töten kaltblütig zahlreiche Menschen, stellen dies zunächst ungefragt in den Dienst der Sache, an den sie bis zuletzt glauben, doch je länger sie mit ansehen müssen, wie die deutschen Besatzer sich zum Hohn der ohnmächtigen Bevölkerung unbehelligt in Kopenhagen tummeln und der Gestapomann Hoffmann unangetastet sein brutales Regiment führt, desto dringender wird ihre Forderung, endlich auch die Deutschen selbst angreifen zu dürfen. Von Ketty erfährt Flamme, dass Winther schon lange Geschäfte mit den Deutschen macht und dass möglicherweise eine Art Arrangement in beiderseitigem Interesse besteht, und das geschwätzt der Politheinis in Stockholm überzeugt ihn endgültig davon, daß die Ziele von Winther und Konsorten nicht die Ziele der dänischen Bevölkerung sind. Flamme und Zitrone beschließen darauf, Hoffmann selbst zu töten, doch ihr Vorhaben scheitert, beide sterben und im Film muß letztlich offen bleiben, ob sie vielleicht sogar verraten wurden, zum Beispiel von Ketty, die im wirklichen Leben bis zu ihrem Tod zu ihrer Rolle in der Zeit geschwiegen hat.
Großes, spannendes, dramatisches Historienkino über eine Zeit, an deren Aufarbeitung die Skandinavier selbst bislang nicht unbedingt großes Interesse hatten, denn die Themen Widerstand und Kollaboration sind empfindlich, mythenbelastet und stehen in einem schwierigen Verhältnis. Madsen, der sich hier stilistisch sehr deutlich von einem Dogmafilm wie „Kira“ absetzt, ist offensichtlich daran interessiert, die komplexe Struktur der deutschen Besatzung in Dänemark hervorzuheben und auch zu zeigen, wie stark diese Struktur auch die Arbeit des Widerstandes beeinflusst hat. Der Preis für die augenscheinlich unangetastete Souveränität Dänemarks war natürlich die Kooperation aller maßgeblicher Organe, allen voran der Ordnungskräfte, und im Gegensatz zu Ländern wie Frankreich oder Holland war die Balance zwischen Besatzern und Besetzten weitaus delikater und komplexer. Jemand wie Winther beispielsweise gerät unweigerlich in Verdacht, seine eigennützigen, geschäftlichen Ziele zu verfolgen, was so weit geht, dass er seine Leute auf deutsche Widerstandskämpfer und unbequeme Zeugen ansetzt, um Spuren seiner Zusammenarbeit mit der Gestapo zu tilgen. Flamme und Zitrone geraten immer tiefer in ein höchst kompliziertes und kaum durchsichtiges Netz aus politischem Kalkül und Verrat, und während Zitrone bereit ist, seiner Linie treu zu bleiben und weiterhin jeden Auftrag auszuführen, wird der zehn Jahre jüngere Flamme von Ketty derartig verunsichert, dass er nicht mal seinen größten Feind Hoffmann töten kann, als er die Möglichkeit dazu hat. Die Person Kettys versinnbildlicht die völlig verwaschene, unklare Linie zwischen Gut und Böse, und mit ihr geht es auch uns wie Flamme, nie wissen wir, ob sie ehrlich ist und die Wahrheit sagt, oder bis zuletzt taktiert bis dem Ziel, selbst zu überleben. Wir sehen sie am Schluss zusammen mit Hoffman, der ihr eine große Summe Geld überreicht und werden natürlich zu der Folgerung verleitet, sie habe Flamme und Zitrone ausgeliefert, doch bleibt ihre tatsächliche Position rätselhaft. In ihrem patriotischen Eifer mißlingt Flamme und Zitrone mancher Anschlag, einmal stirbt gar ein unschuldiger Junge, und spätestens hier wird natürlich auch die Frage nach dem Sinn gewaltsamen Widerstandes gestellt, zumal die Hinrichtungsaktionen der beiden in ihrer Brutalität ziemlich krass sind und auch im Film so gezeigt werden, wodurch Madsen es noch schwerer macht, die beiden einfach nur als Helden zu sehen. Sie selbst erkennen, dass der Krieg aus allen Beteiligten Mörder macht, und auch wenn man auf der richtigen Seite gegen das Unrecht und den Terror kämpft, macht man sich dennoch schuldig, stellt sich auf eine Weise auf die gleiche Stufe wie die deutschen Barbaren, indem man selbst Menschen tötet. Madsen stellt hier zwar die Entschlossenheit und den politischen Glauben der beiden gegen das verlogene und unaufrichtige Taktieren der Männer im Hintergrund, doch werden ihre Taten damit keineswegs verharmlost oder gar glorifiziert, was sicherlich einer der größten Verdienste des Films ist.
Bis zuletzt wird das Gleichgewicht aus dramatischem Erzählen und inhaltlichem Anspruch konsequent gewahrt, dies ist auf jeden Fall ein Film für das Auge und den Kopf, was ja so selbstverständlich auch nicht ist, die ist auch ein Film, der eine Position einnimmt und zugleich deutlich macht, wie schwer es ist, diese Position zu behaupten. Flammes und Zitrones grundsätzliche Haltung ist eine Sache und steht kaum zur Diskussion – ihre Mittel und Wege sind eine andere Sache und müssen hinterfragt werden, umso mehr, als sie ganz offensichtlich von anderen für andere Zwecke manipuliert wurden. Sie waren zugleich Täter und Opfer, standen damit zwischen den Fronten und wurden genau davon aufgerieben, und egal ob man ihnen nachträglich feierliche Staatsbegräbnisse ausgerichtet und ihnen Denkmäler gewidmet hat, bleibt die Notwenigkeit einer weiter gehenden und tiefer gehenden Aufarbeitung dringend bestehen, was dieser komplexe, spannende, stark gespielte und gestaltete Film eindrucksvoll bestätigt. Dänisches Kino mal von einer ganz anderen Seite, nicht so intim wie das Dogma, dafür aber politisch und historisch sehr interessant. (31.8.)