Vicky Christina Barcelona (#) von Woody Allen. Spanien/USA, 2008. Scarlett Johansson, Rebecca Hall, Javier Barden, Penélope Cruz, Patricia Clarkson, Kevin Dunn
Woodys Trip durch Europa geht weiter – nach drei Filmen in England ist er nun gen Süden gezogen, nach Katalonien um genau zu sein, und hat die Metropole zum Schauplatz einer verwickelten Komödie der Irrungen und Wirrungen gemacht, hat südliches Sommerfeeling geschickt mit seinen hauseigenen Themen verknüpft und obendrein nach langen Jahren mal wieder einen Frauenfilm gemacht und zwar einen, der nicht wie viele der früheren Versuche unter seiner Ambition ächzt, der zweite Ingmar Bergman werden zu wollen. Inzwischen mit über siebzig hat er’s doch wohl eingesehen, dass es damit nichts mehr wird, gottseidank kann ich nur sagen, und wir haben nach dreißig und mehr Woody-Allen-Filmen auch schon längst erkannt, dass von ihm keine Meisterwerke in Serie mehr zu erwarten sind und dass wir uns auch an den kleinen Freuden ergötzen können – so wie hier zum Beispiel.
Eine ménage à trois: Die verklemmte Brünette, die sexy Blonde und dazu der kernige Macho, zwei Amerikanerinnen in Barcelona, dazu der mythenumwitterte Kunstmaler, der just eine leidenschaftliche und zerstörerische Ehe hinter sich hat und nun auf neue Abenteuer aus ist, weshalb er den beiden Schönen aus den Staaten sogleich ein unverblümtes Angebot unterbreitet. Vicky sagt nein, Christina sagt ja, Vicky gibt nach und auf geht’s in ein turbulentes Liebeskarussell, jeder darf mal mit jedem, und als dann noch Juans Exgattin dazustößt und sich Vicky zwischenzeitlich in eine halbgare Ehe flüchtet, werden die Karten wieder neu gemischt. Die beiden Freundinnen machen ihre Erfahrungen, sämtlich offenbar nicht besonders befriedigend, denn am Schluss sieht man sie mit langen Gesichtern gen Heimat fliegen, Vicky mit Aussicht auf ein Leben mit einem lieben Langweiler, Christina noch immer auf der Suche, wobei sie lediglich genau weiß, was sie nicht will.
Eine überraschend trübe Fußnote zu einer Story, die sich ansonsten sehr locker und leichtgewichtig gibt und die ganz offenkundig keine weiteren Ambitionen hat als genau das zu sein. Insgesamt vier Frauen (Judy, eine ältere Freundin Vickys, die die beiden bei sich in Barcelona aufnimmt, gesellt sich noch hinzu) schwirren zwischen Sehnsucht, Traum, romantischer Vision, Angst und dem realistisch Machbaren hin und her, wobei sich ihre Wege auf verschiedene Weise immer wieder kreuzen. Die erste möchte die jüngeren dazu ermutigen, das Leben zu genießen und ist selbst schon lange unzufrieden mit ihrer erstarrten Ehe, die zweite wird es sehr bald sein und ihren verpassten Gelegenheiten nachtrauern, die dritte ergreift zwar jede Gelegenheit, flieht jedoch nach kurzer Zeit aus jeder Beziehung, und die vierte zerfrisst sich vor Eifersucht und Wahn, ist aber andererseits extrem hellsichtig und kreativ. Ein Erzähler aus dem Off kommentiert das leicht chaotische und launische Geschehen mit einer ironischen Distanz, die ich nicht immer als angenehm empfunden habe, und insgesamt finde ich doch, dass Allen einfach ein paar mehr gute Gags hätte einstreuen können, zumal die Story auch nicht soviel hergibt, doch alles in allem ist dies eine recht delikate, leidlich amüsante, in sehr schönen Farben und Bildern gekleidete Sommersexkomödie und zugleich eine Hommage an Barcelona, wobei die Stadt für mein Empfinden gar nicht mal so sehr präsent ist wie das beispielsweise früher bei New York der Fall war. Die Schauspieler sind exzellent und genau passend gewählt, die (unverständlich vielen) Bewunderer von Scarlett Johansson können zufrieden sein, die fabelhaft aufspielende Rebecca Hall passt perfekt in Woody Allens vertrautes Neurotikeruniversum, Penelope Cruz ist mal wieder hinreißend und ganz in ihrem Element, und Javier Bardem ist der seelenvolle, unwiderstehliche Vollblutspanier par excellence. Der Rest ist Staffage, inklusive einiger eher flüchtiger Postkarten aus der Stadt (da ist Woody mit New York allemal vertrauter) und einiger rasch skizzierter Nebenfiguren, die uns eine Galerie mehr oder weniger einfältiger Amis in Europa vorstellen. Alles nett und hübsch, nicht mehr und auch nicht weniger. (7.12.)