Son Shavua B’Tel Aviv (Alles für meinen Vater) von Dror Zahavi. Israel/BRD, 2008. Shredi Jabarin, Hili Yalon, Shlomo Vishinsky, Joni Arvid, Shadi Pahareldin, Oren Yagdi, Rosina Kambus, Dina Golan

   Wenn am Schluss die Bombe des Selbstmordattentäters auf dem Markt von Tel Aviv doch noch explodiert, ist dies zugleich eine private als auch eine politische Tragödie. Privat insofern, als Tarek eigentlich schon auf dem Weg zur Umkehr war, die Bombe wahrscheinlich gar nicht mehr gezündet hätte, und lediglich die Schüsse der israelischen Sicherheitskräfte das Unglück herbeiführten. Privat auch insofern, als sich zwischen dem Araber Tarek und der Jüdin Keren eine Liebesgeschichte angebahnt hatte, die leider auch nicht stark genug war, um Tarek aufzuhalten. Politisch insofern, als das Unglück für die Unaufhaltsamkeit des Mechanismus‘ steht. Ist er erst einmal in Gang gesetzt, lässt er sich kaum noch stoppen, denn zu aller Not kann der „Märtyrer“ aus der Ferne per Handysignal gezündet werden. Politisch auch insofern, als man wieder mal sieht, wie schwer bis fast unmöglich eine dauerhafte, vertrauensvolle Annäherung von Arabern und Juden zu sein scheint. Der Araber Tarek, der mit einer „Mission“ nach Tel Aviv kommt, und der eigentlich von dieser Mission alles andere als überzeugt ist, denn ihm fehlt die Veranlagung zu einem religiösen Fanatiker, findet Unterkunft und Kontakt zu jüdischen Einwohnern in einem Viertel Tel Avivs, und er findet Kontakt zu Keren, einer jungen, kratzbürstigen und unkonventionellen Frau, die sich mit ihrer Familie anlegt, weil sie nicht nach dem jüdischen Code leben und sich anpassen will. Er reagiert einerseits auf sie, muss sich jedoch verschlossen halten, damit sie sein Geheimnis nicht entdeckt. Zugleich stößt er als Araber im jüdischen Viertel sofort auf Misstrauen, zumal für die Stadt eine Terrorwarnung ausgegeben wurde und jeder Araber potentiell verdächtig ist. Diese vordergründig rassistische Haltung wird natürlich verständlich, wenn man an die vielen Terroranschläge und die ständige Angst denkt, in der die Stadtbewohner leben müssen. Andererseits entwickeln sich im Kleinen durchaus Beziehungen, die auf Respekt und Freundschaft gründen, wenn man die ethnische Seite der Geschichte mal weglässt.

   Ein spannender, gut gespielter Film, der deutlich an Emotionen appelliert und sich weniger sperrig gibt als etwa „Paradise Now“, in dem es weitgehend um dasselbe Thema geht. Die vergleichsweise glatte Oberfläche (die Musik, ja ich weiß!) ist dem Film in der Kritik vorgeworfen worden, und meinetwegen argumentiert Zahavi auch recht simpel und schablonenhaft, doch kann man dem Film seine zentrale Botschaft (Frieden und Verständigung) ja wohl kaum zum Vorwurf machen, und es ist ganz typisch für den distanzierten Zynismus westlicher Kritiker, die eben nicht unter solchen Bedingungen leben müssen, dass sie immer und auf jeden Fall ein total differenziertes, ausgewogenes, unkonventionelles Werk erwarten. Immerhin beendet Zahavi die Hoffnung auf eine Utopie durch die finale Explosion ziemlich drastisch und deutlich, und er bemüht sich, auf beiden Seiten eine breite Palette von Absichten und Typen zu präsentieren, wobei meistens, wie auch diesmal, leider die extremsten Positionen zur Geltung kommen und das Ganze mit Toten und Verletzten endet. Etwas schwach allein ist Tareks Motivation, zum Selbstmordattentäter zu werden: Er widmet diesen „Akt“ seinem Vater, der ihn als begabten Fußballer einst jeden Tag über die Grenze nach Israel brachte und der den eskalierenden Konflikt am eigenen Leib in Form immer schikanöser werdender Grenzkontrollen erlebte und sich schließlich in Resignation zurückzog. Ich bin nicht sicher, ob dies tatsächlich ein realistischer Beweggrund sein könnte, habe aber den gesamten familiären Hintergrund Tareks zugegeben auch als etwas zu seicht erlebt, anders als die Schilderungen aus Tel Aviv, die zwar eine gewisse Portion Humor enthalten, stets aber auch den Abgrund, denn viele, die sich aktuell mit der permanenten Angst vor islamistischem Terror auseinandersetzen müssen, leben andererseits noch immer mit der furchtbaren Erinnerung an den Holocaust oder zumindest daran, was vielen ihrer Familienangehörigen dort geschehen ist. Auch dies ist, denke ich, keine Frage von Differenziertheit, sondern für viele Israelis schlicht die Realität, auch dann noch, wenn jene ausgestorben sein werden, die den Holocaust noch selbst erfahren haben.

 

   Es gibt weißgott einen Haufen Hollywoodschinken, die ich aufgrund ihrer seichten, gefälligen Verarbeitung komplexer politischer Themen verbscheue, doch dies ist ein Film aus Israel, der sich zudem keineswegs platt und parteiisch gibt, sondern beiden Seiten nahe ist und deutlich für Dialog und Menschlichkeit wirbt. Ich kann darin Absolut nichts Verwerfliches sehen, auch wen das künstlerische Niveau und das Niveau der politischen Argumentation nicht so hoch sein mögen wie es möglich wäre. In diesem Fall zählt für mich eher die Geste und die ist in diesem Fall doch eindeutig. (1.2.)