Alter und Schönheit von Michael Klier. BRD, 2008. Henry Hübchen, Burghart Klaußner, Armin Rohde, Peter Lohmeyer, Sibylle Canonica
Apropos Vergnügen – Filme von Michael Klier gehörten für mich bisher immer zu dieser Kategorie – obwohl das Wort im Zusammenhang mit seinen kargen, ruhigen, ersten Dramen etwas unpassend zu sein scheint. Dies ist der erste seiner Filme (soweit ich sie kenne), mit dem ich nicht glücklich war, und das ist noch freundlich ausgedrückt. Ich war eigentlich sogar ziemlich enttäuscht, umso mehr, als die Ausgangslage so vielversprechend zu sein schien.
Drei alte Freunde kommen in Berlin zusammen, um ihren alten Kumpel Manni beim, Sterben zu begleiten. Er liegt im Hospiz, Krebs im Endstadium, will die alten Gefährten noch mal um sich scharen und will vor allem die eine Frau noch mal sehen, an der ihm besonders viel lag, der er dennoch weh getan hat und die er nun um Verzeihung bitten will. Seine Kumpel stellen sich alles in allem ziemlich und beholfen und zögerlich an, treiben die Rosi dann aber doch auf und verbringen mit ihr etwas Zeit in Mannis Anwesen. Sie wissen nichts rechtes mit sich oder der Situation anzufangen, mal will der eine abreisen, mal zankt sich der andere mit zwei Geliebten rum, der dritte macht Rosi ungeschickte Avancen, und schließlich nehmen sie ihren Manni aus dem Hospiz, fahren noch ein wenig herum, bis Manni schließlich im Kreise seiner Lieben stirbt.
Einige sehr wichtige, auch mir sehr wichtige Themen werden hier verhandelt – das Leben, die Liebe, der Tod oder so ähnlich. Freundschaft vor allem, und wie sie sich im Lauf der Zeit und der wachsenden Distanz leider zum Unguten verändert und auch nicht ganz wieder hergestellt werden kann. Bilanz ziehen in der Mitte des Lebens, was bei Männern ja oft etwas pathetisch und unfreiwillig komisch anmutet, weshalb die irgendwie erschöpfte Rosi auch locker die Coolste und Ehrlichste und Stärkste in der ganzen schluffigen Herrenrunde ist. Krankheit und Tod auch, wie man sie ins Leben einbinden kann, wie man voneinander Abschied nimmt und wie man die letzte Zeit bewusst und schön mit den Menschen verbringt, die einem am nächsten waren. Wenn man soviel Substanz hat, einen Regisseur mit einer bislang doch recht eindrucksvollen Filmographie und dann noch eine Handvoll Schauspieler, die über reichlich Format, Präsenz, Charisma etc. verfügen, dann scheint es schwer vorstellbar, dass daraus kein spannender und berührender Film geworden ist. Der Hauptgrund dafür, dass es eben doch so gekommen ist, liegt für mein Empfinden darin, dass Klier seinen Hang zum Elliptischen, Angedeuteten so weit überzieht, dass fast nichts an Substanz mehr zurückgeblieben ist. Man sieht das schon in der stereotypen und lieblos schludrigen Charakterisierung der vier Jungs: Peter Lohmeyers Manni ist nicht nur todkrank, er bleibt auch als Mensch ein Schemen, reduziert auf eine glorreiche Karriere mit Ferraris und Frauen und schnellen Lebensstil, doch emotional kommt er total nicht rüber, selbst in seinem jetzigen Zustand. Burghart Klaußner gibt den stockigen, unbeholfenen Geschäftsmann, der seine ganzen Gefühle in ein hastiges Schulterklopfen steckt und am liebsten sofort zum nächsten Termin flüchten möchte. Henry Hübchen ist (natürlich) der graumelierte Schwerenöter, der mit zwei Frauen jongliert und schließlich von beiden abgesägt wird, was er mit einem Whisky und weiser Resignation quittiert. Und Armin Rohde ist (natürlich!) der liebe Teddybär, der ständig allen alles recht machen will und der vergeblich versucht, die taffe Rosi anzugraben (Sibylle Canonica immerhin in einer angenehm sperrigen Rolle). Wir sehen diese drei Schubladenmänner miteinander abhängen, rumquatschen und rumalbern, aber all dies wirkt auf mich weder entspannt noch nachdenklich noch sonst irgendwie anziehend, sondern einfach nur langweilig. Vielleicht liegt’s auch nur daran, dass ich Kerle in der Midlife Crisis eh langweilig finde, aber ich erinnere mich an Filme, die aus diesem Thema feine Komödien oder auch feine Tragödien gemacht haben. Klier allerdings gelingt nichts davon, er kommt vor allem niemals richtig zur Sache, zum Kern seiner Absichten. Weder setzen wir uns tiefergehend mit dem Thema Sterben und Tod auseinander, noch haben wir Teil an profunden oder wenigstens anregenden Reflexionen zu Freundschaft, Liebe oder so, wir erleben keine Dramen, nur die Leere einiger Typen um die Fünfzig, und da ist die Grenze zum Selbstmitleid haarscharf. Nun ist Klier wie immer so nüchtern, dass man ihm Pathos zuallerletzt vorwerfen könnte, nur hat er diesmal leider nichts als Gegengewicht zu bieten, keine faszinierenden Milieustudien wie sonst, keine eindrucksvollen Charaktere, keine meditativ treibende Ballade, nichts. Ich saß anderthalb Stunden im Kinosessel und sah dem Geschehen zu, das sich in meilenweiter Distanz von mir abspielte. Nichts ist mir nahe gekommen, nichts hat mich berührt, nichts ist am Ende geblieben, schon gar kein Verständnis für den ominös vielsagenden Titel. Fast schon wieder eine Kunst, solch eine Vorlage zu versieben. Klier hat’s wider all meine Erwartungen geschafft, und ich hoffe doch sehr, dass sein nächster Film wieder an altes Niveau anknüpfen wird. (9.1.)