Che – Revolución (#) von Steven Soderbergh. Spanien/Frankreich, 2008. Benicio del Toro, Rodrigo Santoro, Demián Bechir, Catalina Sandino Morena, Julia Ormond, Yul Vásquez, Jorge Perrugoría

   Soviel kriegt man ungefähr mit: 1952 schippern Fidel Castro und der frisch rekrutierte argentinische Arzt Ernesto Guevara von Mexiko aus mit einer knappen Hundertschaft Gefolgsleute rüber nach Kuba, um die Insel vom Diktator Battista zu befreien. Nicht mal sieben Jahre später ist das Unterfangen geglückt, sind die wichtigsten Städte erobert worden in einem harten, verlustreichen Guerillakrieg, der aus Fidel einen Staatsmann und aus Guevara eine Ikone gemacht hat. Wir sehen den Revoluzzer Che dann ein paar Jahre später, 1964 vor den vereinten Nationen in New York in Armeehemd und Zigarre auf der Straße gefeiert und ausgebuht, neugierig interviewt von voreingenommenen Journalisten, als kompromisslosen und mutigen Demagogen im Streit mit seinen südamerikanischen Kollegen und für die Werte der Revolution. Diese Revolution, so sagt er, musste teuer erkauft werden, unter anderem durch die Exekution eigener Männer im Dienste der inneren Disziplin, und im ersten teil von Soderberghs Epos bekommen wir einen ziemlich detaillierten Eindruck davon. Den weitaus größten Teil der gut zwei Stunden bringen wir gemeinsam mit Che und seinen Truppen auf dem beschwerlichen Weg durch unwegsames Gelände zu, bei Überfällen, Feuergefechten, Manövern und eben internen Debatten, wobei es immer wieder um Disziplin, Taktik und dergleichen geht und darum, allzu eifrige Revolutionäre ohne Waffen, ohne Bildung und möglichst noch minderjährig abzuwimmeln. Das große Ziel, so bläut Che seinen Leuten wieder und wieder ein, kann nur durch unbedingten Willen und absolute Geschlossenheit erreicht werden. Übergriffe und Ausschreitungen werden strikt geahndet, wenn nötig eben mit dem Tod, und wer nicht weiter mitmachen will, wird kurz beschimpft, hat aber die Möglichkeit, die Ausrüstung abzugeben und sich davon zu machen. Im Vergleich zu dem eher pragmatisch orientierten Fidel ist Che der Dogmatiker, der unbedingt konsequente Freiheitskämpfer, der sich trotz Asthma durch Dschungel und Gebirge quält und von den Mitstreitern die gleiche Entschlossenheit verlangt. Schnell wird er zu einem bewunderten und respektierten Vorbild, zum Idol für junge Landsleute, doch erst in den Schwarzweißeinschüben in New York ist er zur Legende geworden. Der Weg dorthin ist nicht Thema dieses ersten Teils, wird aber vermutlich im zweiten Teil verhandelt.

   Bei aller Zustimmung zu dem spektakulären Projekt an sich, zu seinen Dimensionen und zu Soderberghs bewährter Vermeidung kommerzieller Kompromisse und seichter Verwässerung habe ich doch einige Probleme mit diesem Film, was zum größten Teil aber an meinen Erwartungen liegen mag. Wer nämlich hofft, endlich mal Che Guevara als Menschen kennenzulernen, der kann Zeit und Geld sparen, denn auch diesmal wird es wohl nichts damit. Am Anfang wird er irgendwie in Fidels Kreis eingeführt, und zunächst steht er als Charakter ganz hinter Fidels Flamboyanz und Charisma zurück, und was dann genau seine Entwicklung vom Arzt und Humanisten zum kompromisslosen Revolutionär beflügelt hat, erfahren wir zu keiner Zeit. Wir erleben ihn beim Handwerk als Kriegsarzt, wir erleben ihn, wie er sich Fidels Hackordnung jederzeit anpasst und auch mal in die zweite Linie rückt, wir erleben ihn als volksnahe und den einfachen Menschen verpflichtet, doch wir erleben ihn eigentlich nur als Uniformträger. Ob es darüber hinaus noch einen Menschen Ernesto Guevara gab, bleibt unklar. Wenn nicht, dann frage ich mich, ob weitere Filme über ihn nötig sind. Wenn doch, so frage ich mich nach Soderberghs Absichten und Konzept. Kommt ja vielleicht alles im zweiten Teil…?

   Künstlerisch ist das wie gewohnt sehr gekonnt und eindrucksvoll. Soderbergh beherrscht die Kunst, in knappen, fast elliptischen Szenen viel zu sagen, perfekt, seine Kamera bleibt stets dicht am Geschehen, allerdings bleiben die Menschen diesmal, also nicht nur Che, etwas undeutlich, stehen oft zu sehr hinter der Aktion zurück. Mich hat der hohe Anteil an Kampf- und Kriegsszenen ein wenig überrascht, obwohl ich natürlich verstehe, dass die kubanische Revolution anfangs im Wesentlichen ein Krieg Guerillas gegen Battistas Armee war, doch hätten eine oder zwei exemplarische Sequenzen vielleicht gereicht, um einen Eindruck von der Brutalität und Verbissenheit zu vermitteln, mit denen um die Insel gefochten wurde. Und so wie sie in diesem ersten Teil eingefügt wurden, wirken die New Yorker Szenen ziemlich bindungslos, lassen noch keinen wirklichen Bezug zum übrigen Geschehen erkennen. Auch das wird vielleicht in Teil zwei klarer…?

 

   So bleibt einiges Stückwerk hier, und ich bin ziemlich sicher, dass ich den Film lieber im Ganzen gesehen hätte, obwohl das natürlich unter kommerziellen Gesichtspunkten die ungünstigste Vermarktungsstrategie ist, schon klar. Wenn der zweite Zeil sich dem Menschen Che Guevara annähert, soll es mir recht sein, wenn nicht, so bleibt die Frage, was Soderbergh uns mitteilen will – abgesehen vielleicht von seiner Sympathie für die kubanische Revolution. (1.7.)