Coraline (#) von Henry Selick. USA, 2009
Coraline, und nicht Caroline, darauf legt die Elfjährige mit blauem haar und frecher Schnauze Wert. Sie ist just mit Mom & Dad aus Michigan in eine rosafarbene alte Villa abgelegen in der Wildnis gezogen, die außerdem von allerhand skurrilem Volk bewohnt wird, sie entdeckt draußen im Wald einen unheimlichen, tiefen Brunnen, sie lernt den ungefähre gleichaltrigen Dorfstalker kennen und findet im Haus eine versteckte Tür, die nur nachts in eine andere Welt führt, und damit geht’s dann los. Was sich anfangs wie eine traumhafte Idylle mit Bilderbucheltern ausmacht, deren einzig sichtbarer Schönheitsfehler die Knopfaugen sind, entwickelt sich langsam aber sicher zu einem düsteren Alptraum, dem Coraline, ihr Freund der Stalker und dessen Freund die Katze nur mühsam entkommen können.
Wie ich wohl schon häufiger bemerkte, kann ich Trickfilme nur in relativ niedrigen Dosen genießen, wenn sie aber so originell, ungewöhnlich und kreativ sind wie dieser, dann herzlich gern. Schon die Oberfläche ist nicht annähernd so glatt und niedlich und perfekt, wie man es sonst von den routinierten Pixelwerken gewohnt ist, die Figuren sind recht skurril, das Setting etwas schräg und düster, der Humor launisch und oft überraschend, und die brillant ausgespielte Dramaturgie macht aus den Abenteuern einer etwas moderneren und vorlauteren Alice im Wunderland einen zunehmend rasanten und äußerst spannenden Gruseltrip, in dem auch die gestalten immer mehr zu entgleisen scheinen und das Geschehen phantasmagorische Züge annimmt. Die Idee mit den perfekten Knopfaugeneltern in einer schönen neuen heilen Welt ist großartig und wird sehr effektvoll und mit viel Gespür für die dahinter lauernden Abgründe entwickelt, die urigen Mitbewohner in der rosa Villa sind hinreißend witzig, Coraline selbst ein sehr erfrischend unkonventionelles Gör, und die extrem liebevolle, detailverliebte und phantasiereiche künstlerische Gestaltung sowieso ein Ereignis. Ein Kinderfilm absolut nicht nur für Kinder, eher sogar für Größere, und alles in allem eine äußerst lohnens- und sehenswerte Sache, die mich mit dem oft leidigen Genre wieder ein wenig versöhnt hat. (16.8.)