La fille de Monaco (Das Mädchen aus Monaco) von Anne Fontaine. Frankreich, 2008. Fabrice Luchini, Roschdy Zem, Louise Bourgoin, Stéphane Audran, Gilles Cohen

   Es hätte auch ganz anders laufen können in dieser Geschichte, an dem Punkt fünf Minuten vor Schluss nämlich, an dem sich der Rechtsanwalt entscheidet, ob er die Verantwortung für die Situation übernehmen oder ob er sie lieber auf seinen Leibwächter abwälzen soll – einer von beiden muss ins Gefängnis, soviel ist klar, nur wer.  Und ganz plötzlich hat dieser trügerisch sommerlich-luftige Erotik- und Verwirrungsreigen seinen Claude-Chabrol-Moment, wobei der Kenner weiß, wie sich der alte Herr entschieden hätte, und dieses Wissen in diesen einen Moment einfließt, und so wird daraus ein ziemlich banger Moment, weil alles, was zuvor passiert ist, auf der Kippe steht. Ane Fontaine aber ist nicht Claude Chabrol, auch wenn sie dessen alte Muse Stéphane Audran auftreten lässt, sie entscheidet sich anders, gegen den Zynismus und für eine Art von Aufrichtigkeit, und innerhalb ihres Films finde ich das auch absolut schlüssig.

   Was aber nicht bedeuten soll, dass es sich hierbei um ein seichtes Sommerfilmchen allein zum Wohlfühlen handelt – natürlich gibt es starke komödiantische Elemente, doch es mischen sich auch andere Töne darunter, Töne, die teilweise an Highsmith, teilweise an Hitchcock, teilweise eben auch an M. Chabrol erinnern, und die sich zu einer ebenso irritierenden wie gekonnten und unterhaltsamen Mischung ergänzen. Zunächst haben wir die typische Geschichte eines älteren Herren, der den offen zur Schau gestellten Reizen einer jungen Blondine mit Haut und Haaren verfällt und nun den altbekannten Kampf zwischen verstand und Hormonstau mit schöner Regelmäßigkeit verliert. Er ist Anwalt und in heikler Mission nach Monte Carlo gekommen, und schon fragt man sich, ob die scheinbar so naive und impulsive Audrey nicht in Wirklichkeit auf etwas ganz anderes aus ist, zumal sie unseren Maître Bertrand mehr als einmal in höchst kompromittierende Situationen bringt, die seinem Ruf und seinem Prozess empfindlich schaden könnten. Im Hintergrund lauert daher der stoische Leibwächter Christophe, der dem Anwalt vom Sohn der Angeklagten zur Verfügung gestellt wurde. Zwischen den beiden sehr verschiedenen Männern entwickelt sich eine wechselhafte und sehr komplexe Beziehung, die ihren Bruch erfährt, als Christophe das Mädchen beseitigt, um dem Maître ein für allemal den Rücken freizuhalten, zumal der eindringlich um Hilfe gebeten hatte, weil ihm klar geworden war, dass er aus eigener Kraft nicht von Audrey loskommen würde und die ihm bereits eine gemeinsame Zukunft angedroht hatte. Auf der einen Seite also die Männerfreundschaft zwischen Beruf, Pflichterfüllung und Lebenshilfe, auf der anderen Seite eine waschechte amour fou, explosiv, intensiv, die Bertrand völlig in ihren bann schlägt und ihn alle Vorsicht, alle Vorbehalte vergessen lässt. Der Kopf sagt, dass so was unmöglich gut gehen kann, andere Körperteile aber sagen etwas anderes, und die behalten zumeist die Oberhand. Der kontrollierte, intellektuelle Freigeist mit eher zurückhaltendem Verhältnis zum anderen Geschlecht trifft auf das schrille, extrovertierte Mädchen aus mehr als zwielichtigem Milieu, das seinen Körper freigiebig und großzügig, und, wie man argwöhnen darf, mit gehöriger Berechnung einsetzt. Es kommt zu grotesken Situationen, die Bertrand in einer gänzlich fremden und für ihn auch denkbar unpassenden Umgebung zeigen, es kommt aber auch zu zärtlichen und wüst erotischen Begegnungen, wobei Bertrands jungenhaftes Schwärmen konterkariert wird von Christophes nüchternen, abgeklärten Kommentaren, denn er war wie fast jeder andere auch schon mal mit Audrey im Bett und sieht sie aus einiger Entfernung als genau das, was sie ist und was Bertrand natürlich niemals wahrhaben möchte.

 

   So entwickelt sich ein komisches und auch leicht abgründiges Katz-und-Maus-Spiel, das lediglich in der Mitte einen Durchhänger verzeichnet, als sich eine Zeitlang nichts oder nur wenig bewegt, wohingegen es zum Ende hin dann schlagartig an Komplexität und Spannung zunimmt, als sich wie gesagt mehrere Möglichkeiten eröffnen, das Ganze zu beenden. Anne Fontaine hat das sehr facettenreich und gekonnt in Szene gesetzt und sie hat in Fabrice Luchini und Roschdy Zem ein großartiges Hauptdarstellerduo, dem zuzusehen mir sehr viel Spaß gemacht hat, wohingegen Louise Bourgoin naturgemäß von der eher karikaturhaften Anlage ihrer Rolle beschränkt ist, aber die erfüllt innerhalb der Story natürlich genau ihren Zweck. Dazu gibt’s ein paar nette Postkarten aus Monte Carlo, ein paar ironische Ausflüge ins Nachtleben des schlichteren Jet-Set, und fertig ist ein französischer Film, der noch einiges mehr zu bieten hat, als an der Oberfläche zu vermuten ist. Und wenn ich daran denk, dass ich gerade jetzt zu dieser Zeit auch da unten sein könnte… (12.7.)