Venkovský ucitel (Der Dorflehrer) von Bohdan Sláma. Tschechien, 2008. Pavel Liška, Zuzana Bydzovská, Ladilav Šedivý, Tereza Vorišková, Marek Daniel, Zuzana Kronerová, Miroslav Krobot
Was immer auch einen Lehrer aus Prag dazu bewogen haben mag, sich in die fernste, zivilisatorisch und technisch kaum erschlossene böhmische Provinz versetzen zu lassen und dort bei Oma im Kabuff hinter einem Vorhang zu hausen, man ahnt schon, dass dies noch Anlass zur Aufregung geben wird, und so geschieht’s dann auch. Petr kommt zwar bei seinen Schülern mit seinem lebendigen, engagierten Naturkundeunterricht prima an und knüpft auch in der engen, recht herzlichen Dorfgemeinschaft bald freundschaftliche Kontakte, besonders zu der alleinerziehenden Marie und ihrem Sohn, doch spürt man gleich, dass sich hinter seinem introvertierten, zurückhaltenden Wesen mehr verbirgt, als nur die Schüchternheit des Fremden, der aus der fernen Stadt in eine verschworene ländliche Gesellschaft kommt, dass er mit sich ringt, sich aber nicht äußern kann. Daheim beichtet er schließlich seiner Mutter, dass er schwul ist (der Vater wusste es schon längst), und nun wird auch verständlich, weshalb der so merkwürdig auf Maries deutliche Annäherungsversuche reagiert. Als er zurück im Dorf Besuch von einem Ex-Lover erhält und bei einem Dorffest dem Alkohol mehr zuspricht als gut wäre, eskalieren die Ereignisse, an deren Ende er sich an Maries Sohn vergreift, der mit sich und seiner Freundin sowieso schon genug zu tun hat, selbiger verstört die Flucht ergreift, erst recht, als Marie den völlig zusammengebrochenen und halbwegs suizidalen Petr bei sich aufzupäppeln gedenkt. Letztlich aber siegt dann doch der sogenannte gesunde Menschenverstand, die drei raufen sich wieder zusammen, bringen gemeinsam ein Kälbchen zu Welt, und können vielleicht zu irgendeiner Form der Freundschaft finden.
Bei Spiegel online las ich gerade dazu einen typisch widerlichen Spiegelartikel – arrogant, herablassend und voller Vorurteile, irgendwas von Festivalfilm mit Außenseiterbonus für Studienräte und Programmkinobesucher, also werden alle Feindbilder der progressiven intellektuellen Elite in einem Rundumschlag abgewatscht. Genauso hohl wie destruktiv finde ich das. Und außerdem hat mir dieser Film wunderbar gut gefallen, er ist eine ziemlich ruhige und intensive Ballade über Mensch und Gefühl, über die, die sich trauen und die, die sich nicht trauen, die sich sehnen, die aber zögern und zaudern und damit natürlich viel mehr Unheil anrichten als vermeiden. Petr steht ungefähr die Hälfte der Spielzeit neben sich, hastet den Ereignissen immer etwas hinterher und braucht endlos lang, bis er die richtigen Worte findet und sich endlich bekennen und erklären kann. Das ist auch ganz dringend nötig, denn natürlich will er im Grunde nichts von Marias Sohn und natürlich will er auch Maria nicht vor den Kopf stoßen, denn die ist wirklich nett und patent und sehnt sich ihrerseits auch nach einem Mann, nur nicht nach der Sorte grober Klotz, von der sie im Dorf umgeben ist. Sie hat dann auch die Größe, ihre eigene Enttäuschung zu überwinden und sich Petrs anzunehmen, der ihr trotz der vorgefallenen Missetaten leid tut, und sie schafft es sogar, die Kluft zu ihrem sperrigen Sohn zu überbrücken und ihn dazu zu bringen, Petrs Übergriff zu verzeihen. Sie ist es also, die die Handlung vorantreibt, während Petrs zumeist paralysiert und verwirrt ausharrt und der Sohn sich in muffelige oder auch aggressive Verweigerung flüchtet. Es ist wie immer – die Frauen müssen die Beziehungsarbeit leisten! Drumherum spielen sich dann auch noch allerhand Geschichten ab, komisch und burlesk oder auch nicht, und alles wird zu einem feinen, humorvollen und vor allem sehr einfühlsam und sensibel erzählten dörflich-sommerlichen Reigen mit amüsantem Stadt-Land-Gefälle verwoben, der mit wunderschönen Bildern und klasse gespielten Typen brilliert und in vieler Hinsicht in bester tschechischer Tradition steht. Immer ein bisschen eigensinnig und voller Überraschungen, der Humor eher kauzig und verschroben als grölend laut, das Zwischenmenschliche komplex und nicht unbedingt auf einfache Lösungen aus. Von dieser Sorte gibt es zum Glück einige mehr, und gerade Bohdan Sláma hat sich in den letzten Jahren als echter Spezialist auf dem Gebiet erwiesen. Hoffentlich bleibt das auch so! (30.8.)