The curious case of Benjamin Button (Der seltsame Fall des Benjamin Button) von David Fincher. USA, 2008. Brad Pitt, Cate Blanchett, Taraji P. Henson, Julia Ormond, Tilda Swinton, Jason Flemyng

   Wäre nicht im Abspann der Name F. Scott Fitzgeralds zu lesen, läge es nahe, sich einen Roman von John Irving als Vorlage für dieses annähernd dreistündige Opus vorzustellen, und irgendwie habe ich den Eindruck, Fincher sei dem Geist des letztgenannten auch wesentlich näher gekommen als der kunstvollen Art-Deco-Fassade des Älteren: Wo lustvoll, episch und üppig drauflos fabuliert wird, wo auf märchenhafte Weise Lebensgeschichten ineinander verstrickt werden, wo Schicksal, Liebe und Tod oft seltsame Wege gehen und wo sich vor allem am Schluss alle Kreise zu einem runden, harmonischen Ganzen schließen, fühlt man sich doch viel eher an Irving erinnert, aber das wäre ja auch in Ordnung.

   Nicht ganz so in Ordnung finde ich es, dass Fincher es nicht hingekriegt hat, aus all diesen Zutaten ein Werk zu destillieren, das mich auf welche Weise auch immer berührt oder bewegt hat. Ich habe mir Benjamin Buttons Biographie angesehen, von der Jugend als Findelkind im Altenheim zu New Orleans über seine Erlebnisse auf einem Dampfboot im Krieg bis hin zu Alter und Tod, seine Liebesgeschichte mit Daisy, die durch viele Veränderungen, Höhen und Tiefen hindurch muss, ich habe ein durch und durch perfekt gestyltes Hollywoodprodukt erlebt, das ungefähr soviel Lebendigkeit und Kreativität ausstrahlt wie eine Rechenmaschine. Jeder CG-Shot stimmt (und es gibt viele davon…), jeder Effekt ist sorgsam auf seine Funktion abgestimmt, jeder Musikeinsatz, jede generierte Emotion, alles passt an seinen Platz, und doch ist dies ein lebloser Organismus, ein Bilderstrom, den ich über mich hinwegfließen ließ, oder auch an mir vorbei, ganz wie man will, der aber zu keiner Zeit Spuren hinterlassen hat. Auch mit Benjamins besonderem Schicksal, das ihn im Körper eines Greisen zur Welt kommen, dann Jahr um Jahr jünger werden und schließlich als Baby sterben lässt, kann Fincher offenbar nicht viel anfangen, er stachelt lediglich die Make-up- und EDV-Abteilung zu ansehnlichen Tricks an, entlockt dem Ganzen aber substantiell überhaupt nichts Reizvolles oder Originelles. Daisy und er treffen sich in der Mitte des Lebens, als der Altersunterschied sich aufhebt, sie als Tänzerin in New York, er als wieder gefundener Sohn seines Vaters, eines Knopffabrikanten, sie finden schließlich zueinander, haben zusammen ein Kind, doch dann als er immer jünger wird und sie immer älter, läuft alles auf eine endgültige Trennung hinaus, doch nicht mal das und auch nicht Daisys hingebungsvolle Fürsorge um das alte Baby Benjamin haben in mir Formen der Rührung erzeugt. Ich hatte den Eindruck, dass Fincher sich in dieser für seine Verhältnisse doch arg glatten und heilen Welt nicht wirklich zurechtfindet, und obwohl ich die meisten seiner Filme nicht besonders mag, sind sie in sich doch stimmiger und passen besser zu ihm als dieser, wenn man vom ebenfalls furchtbar konventionellen und langweiligen „Panic Room“ mal absieht. Brad Pitt kann mich zudem als Schauspieler auch diesmal nicht überzeugen, er ist vor allem im Vergleich zu solch starken Frauen wie Cate Blanchett und Tilda Swinton viel zu blass, er ist genau wie seine Figur ein Neutrum, für das ich persönlich mich nicht erwärmen konnte. Einige Nebenfiguren, so kam es mir jedenfalls vor, haben mehr Profil und Vitalität als er, und das kann kein gutes Zeichen sein.

 

   So geht’s halt – manchmal stehen Aufwand und Behauptung in schlechtem Verhältnis zum Ertrag, sie stehen ihm sogar direkt im Weg. Vor lauter Pomp und Fassade dringt man kaum zu den Menschen durch – die eine oder andere gute und eindringliche Szene mag als Ausnahme die Regel bestätigen -, sodass ich für meinen Teil mit dem ganzen überlangen (auch gefühlt überlangen!) Machwerk nicht viel anzufangen wusste. (17.2.)