Parlez-moi de la pluie (Erzähl mir was vom Regen) von Agnès Jaoui. Frankreich, 2008. Jean-Pierre Bacri, Agnès Jaoui, Jamel Debbouze, Pascale Arbillot, Guillaume de Tonquedec, Mimouna Hadji, Frédéric Pierrot, Florence Loiret-Caille
Die Filme vom Jaoui/Bacri sind seit jeher ein wenig anders als der normale französische Wohlfühlmainstream (nichts gegen schöne französische Filme!), ein bisschen bockiger und ungefälliger und irgendwie sperriger. Filme, die noch im Trailer daherkommen als flockige Komödie, die sich dann aber über die ganze Distanz als ein deutlich komplexeres Gebilde erweisen, das sich nicht so ohne weiteres wegkonsumieren lässt, das sich nicht mit Charme und Eleganz anschmeichelt, das dem klassischen französischen Savoir Vivre eine irgendwie eckige Note gibt. Dies ist nun der dritte Film, den ich von den beiden sehe, und er führt das einst begonnen Konzept konsequent fort, sehr zu meinem Vergnügen, auch wenn die ausgesprochenen Brülleffekte wie üblich fehlen. Statt der üblich beschwingt guten Laune verbreitet auch dieser Film eine eher vergnügte Einsicht in Menschliches, bzw. Zwischenmenschliches, und wirklich böse ist er unter dem Strich dann auch nicht.
Wir sehen Michel und Karim, die sich zu einem Team zusammentun, um einen Dokumentarfilm über Agathe Villanova zu drehen, eine frauenbewegte Schriftstellerin, die nun für ein hohes politisches Amt in der südfranzösischen Provinz kandidiert. Die beiden Herren stellen sich reichlich stümperhaft und umständlich an, strapazieren die Geduld der ohnehin etwas verspannten Dame ganz schön, um so mehr, als sie alle privat irgendwie verbandelt sind. Karim ist der Sohn der alten Haushälterin der Villanovas und anders als sie empfindet er noch immer seine Identität als arabischer Immigrant, weswegen er der hochnäsig wirkenden Agathe besonders feindselig gegenübertritt. Michel wiederum ist der heimliche Liebhaber von Florence, der in jeder Hinsicht „kleinen“ Schwester Agathes, und leidet darunter, dass sich die Angebetete partout nicht entscheiden kann, ihren schlaffen, klammernden Ehemann zu verlassen. Auch sonst gibt’s allerhand amouröse Baustellen: Agathe zankt mit ihrem Partner, der eifersüchtig auf ihre Karriere ist, Vernachlässigung beklagt und schmollt. Karim ist verheiratet, offenbar aber nicht übermäßig glücklich, bändelt deshalb mit einer Kollegin aus dem Hotel an, in dem er am Empfang hockt. Michel ist geschiedener Papa und ringt mühsam um Kontakt zu seinem Sohn, der allerdings lieber mit Kumpels Spaß hat, als den ständig schief laufenden Dreharbeiten beizuwohnen. Und so beackert ein jeder sein eigenes Feld, kommt anderen ständig in die Quere, es gibt Zänkereien, Missverständnisse, Zerwürfnisse. Am Schluss haben Michel und Karim ihre Partnerschaft drangegeben, aber Karim kommt mit. Agathe hat scheinbar die Politik drangegeben, versöhnt sich aber mit ihrem Freund, Florence kann sich noch immer nicht trennen, aber Michel hat eine nette Begegnung mit seinem Sohn, und so wird es für alle weitergehen, gut oder schlecht, darauf aber kommt es nicht an, denn Jaoui/Bacri wiegen nicht gegeneinander auf, werten oder verurteilen nicht, sondern präsentieren nichts als eine Reihe ganz gewöhnlicher und höchst wiedererkennbarer Missgeschicke und Misslichkeiten, die aus den Unglücksraben noch lang keine Loser machen, sondern einfach Menschen wie alle anderen auch. Der Blick ist warm, aber auch ein bisschen gnadenlos, zynisch nie, doch auch nicht zu jeder Zeit versöhnlich, nur am Schluss sieht es dann doch so aus, als eröffne sich für jedermann wenigstens eine Art Perspektive.
Als Team funktionieren Jaoui/Bacri mittlerweile perfekt – die Regie ist brillant auf das erstklassige Drehbuch und die adäquaten Akteure abgestimmt, die Optik äußerst diskret und effektiv und der Soundtrack diesmal ein besonderer Genuss inklusive wundervoll schwebender Choräle und Nina Simones zeitlos großartiger Gänsehautstimme. Es wird natürlich viel gequasselt – wir befinden uns schließlich in Frankreich –, viel hin- und herlaviert, in einem Moment kann schon wieder alles über den Haufen geworfen sein, ganz so, wie man es kennt und liebt. Nur eben ein bisschen anders – siehe oben. (8.8.)