Frost/Nixon (#) von Ron Howard. USA/England, 2008. Frank Langella, Michael Sheen, Kevin Bacon, Matthew Macfadyen, Oliver Platt, Sam Rockwell, Rebecca Hall
Die Frost/Nixon-Interviews von 1977, vier Gespräche über jeweils zwei Stunden, live aufgezeichnet und dann im TV gesendet – der perfekte Kinostoff, der sich spektakulärer hätte erfunden werden können; Ein britischer Showmaster, Repräsentant seicht-belangloser TV-Unterhaltung, wie sie uns heutzutage allzu geläufig ist, ein selbstverliebter Jet-Set-Dandy ohne bekanntes politisches Profil und ohne bekannte Ambitionen in Richtung anspruchsvoller oder gar kritischer Reportage fordert den Ex-Präsidenten, der drei Jahre nach seinem unwürdigen, im wahrsten Sinne des Wortes skandalösen Abtritt von der politischen Bühne die Gelegenheit zur Rehabilitierung wittert und der von seinen Beratern eingeredet bekommt, in David Frost keinen ernsthaften Kontrahenten zu haben. Ein schillerndes, großartiges, in fast jeder Hinsicht grundverschiedenes Duo, das sich dort in Kalifornien viermal zum Showdown trifft. Der eine sucht endlich nach einer Herausforderung abseits des australischen Abstellgleises, aber auch nach der ganz großen Einschaltquote, denn er hat erkannt, dass Nixon noch immer interessant ist und dass die amerikanische Öffentlichkeit vor allem noch immer auf eine förmliche Entschuldigung und ein Schuldeingeständnis wartet. Der andere nimmt gern das großzügig angebotene Geld für den Auftritt und hofft, mittels eines überzeugenden, souveränen Sieges wieder Boden gut zu machen bei den Leuten, die er einst betrogen hatte und die ihn dafür verstoßen haben. Beide haben gemeinsam, dass sie Medienprofis sind, geübt im Wort, im effektvollen Posieren, doch ist Nixon dem politisch weitgehend unbedarften Frost rhetorisch und argumentativ weit überlegen und er ist außerdem ein fieser, gerissener alter Fuchs, der es immer wieder fertig bringt, den anderen durch überraschende Indiskretionen oder Intimitäten aus der Balance zu bringen. Und so sieht es nach drei von vier Terminen nach einem überlegenen Punktsieg Nixons aus, der Frost in endlose Monologe einhüllt, der jeden kritischen Ansatz durch ausuferndes Schwafeln zunichte macht und sich äußerst wirkungsvoll in Szene setzt als nachdenklicher, milder, reifer Staatsmann, der auf jede Frage eine Antwort weiß und sein Gegenüber ruhig aber bestimmt in die Schranken zu weisen vermag. Frost lässt sich hingegen von Nixon an die Wand reden, geht im wachsweichen Geplapper des Politprofis unter, findet nirgends Ansatzpunkte zum Einhaken, wird somit seinem Vorsatz zu keiner Zeit gerecht, sodass sich seine drei Rat- und Geldgeber hinter der Kamera die Haare raufen und sich innerlich bereits von all ihren Zielen verabschieden, weil sie mitansehen müssen, wie das als kritisch und entlarvend geplante Interview zur Bühne für einen gewieften Selbstdarsteller mutiert. Erst am vierten und letzten Tag, als die Sprache endlich auf Watergate kommt, die eine große Achillesferse, das rote Tuch Nixons, das er partout nicht aus seiner Vita herausschneiden kann, kommt der Expräsident von seinem Kurs ab und lässt sich doch noch zu der fatalen und letztlich ausschlaggebenden Äußerung hinreißen, dass alles, was ein Präsident entscheidet und tut, automatisch legal sei, und genau in diesem Moment wendet sich das Blatt, Frost gewinnt die Oberhand und ist erfahren genug, das Spiel nach Hause zu bringen und Nixon so lange in die Enge zu drängen, bis er seine Fehler und seinen Betrug offen und unmissverständlich eingesteht, vielleicht zuletzt auch, um sein eigenes Gewissen endlich von der Last zu befreien. Hier kommt der Film thematisch auf den Punkt, hier geht es konkret um Politik, um moralische Werte, um Integrität, Vertrauen und um die Verpflichtung des Präsidenten denen gegenüber, die ihn gewählt, die ihm vertraut hatten und denen er nun Rechenschaft schuldig ist. All dies muss hier nicht verbal aufgeblasen und mit Effekten unterstrichen werden, all dies kommt in Nixons eigenen Worten zum Ausdruck und bedarf keines weiteren Kommentars.
Dass der Film auf einem Theaterstück basiert und dessen Struktur auch in der Leinwandfassung weitgehend erhalten hat, gereicht ihm zu vollem Vorteil, zumal dann, wenn die vielfältigen dramaturgischen Möglichkeiten des Mediums zielgerecht und dezent eingesetzt werden. Es gibt ein bisschen Brimborium drumherum, ein wenig 70er-Jahre-Flair, ein paar Schlaglichte aus Frosts Jet Set- und Klatschwelt, ein paar Szenen aus seinem Privatleben mit der jüngsten weiblichen Errungenschaft, aber sonst bleibt die Perspektive konzentriert auf das Zwischenmenschliche, auf Begegnungen und Gespräche, auf Frosts Gespräche mit seinen Beratern und auf Nixons Gespräche mit seinen Beratern, und natürlich in erster Linie auf die vier Interviews der beiden. Diese sehr ausführlichen Szenen sind die spannendsten, intensivsten des Films, sie enthalten seine ganze Essenz, und ich muss gestehen, dass ich nach allem, was ich von ihm kannte, Ron Howard nicht zugetraut hätte, diese Szenen so gut im Griff zu haben. Der Kerl hat, soviel ich gesehen habe, bisher mehr oder weniger nur US-Durchschnittssoße mit der gängigen Dosis Pathos und Pomp und Kommerzglätte fabriziert, und all dies hat er hier erfreulicherweise weggelassen und sich ganz in den Dienst der Story gestellt. So kommen also das ausgezeichnete Drehbuch und die erstklassige Darstellerriege bestens zur Geltung, vor allem aber die beiden Hauptdarsteller, die ganz außerordentlich sind, wobei Frank Langella einfach den Vorteil der interessanteren, gehaltvolleren Rolle hat, und wie er den Nixon porträtiert, die ganze Widersprüchlichkeit und Sperrigkeit aber auch Empfindlichkeit dieses Mannes in feinsten Nuancen und Details herausarbeitet, das ist ein Genuss für sich und außerdem ganz große Schauspielkunst. Michael Sheen hat den fast undankbaren Part des vergleichsweise glatten, im Grunde recht oberflächlichen Entertainers, aber auch er macht das Beste draus und kann vor allem gegen Ende starke Akzente setzen. Dies ist spannende und zugleich sehr niveauvolle Unterhaltung mit schön satirischem Einschlag und eben Schauspielerkino vom feinsten, so gut, wie Hollywood das eben hinkriegen kann. (9.2.)