Gran Turino von Clint Eastwood. USA, 2008. Clint Eastwood, Bee Vang, Ahney Her, Christopher Carley, Brian Haley, Brian Howe, Doua Moua

   Nach seinem imposanten Ausflug in die wilden 20er ist Clint Eastwood kurze Zeit später schon wieder im Hier und Jetzt angekommen, und so sehen wir ihn in der Hauptrolle als Walt Kowalski, einen Koreaveteranen, einen ruppigen, sturen, verbitterten Fordarbeiter und Familienvater, der nach dem Tod seiner frau allein lebt in einem Viertel, das außer ihm nur noch jede Menge Chilifresserr, Nigger und Bambusratten beherbergt. Letztere vor allem, und als auch noch eine Großfamilie direkt ins Haus nebenan zieht, scheint sein ersehnter Friede mit einem Bier auf der Veranda, dem treuen Hund dazu und dem 72er Gran Turino, seinem größten Stolz, nachhaltig gestört zu sein. Und richtig: Thao, der Sohn der Hmongfamilie, kriegt Ärger mit einer Latinogang, aber auch mit den eigenen Leuten, und obwohl Kowalski alles andere als Sympathie oder Geduld ausstrahlt, wird er fast widerwillig zum Helfer und Retter in der Not. Zusätzlich sitzt ihm der grünschnäblige Gemeindepfarrer im Nacken, dem Walts Frau vor ihrem Tod das versprechen abgenommen hat, den alten Kerl nach Jahrzehnten mal wieder zur Beichte zu schleppen, die beiden Söhne lassen keinen Zweifel daran, dass sie den Alten lieber heute als morgen im Heim sähen und das verbliebene Erbe gern unter sich aufteilen würden, und die ewige Bluthusterei gipfelt schließlich in einer schlimmen Diagnose. Immerhin aber kommt Walt dazu, ein paar seiner Ansichten und Einstellungen zu überdenken, und so schlägt er sich auf Thaos Seite, und weil der partout kein „richtiger“ Mann werden will und außerdem sein ganzes Leben noch vor sich hat, marschiert der alte Haudegen zum final countdown mal wieder ganz allein.

   Dieses Finale ist für mich eins der eher irritierenden Elemente hier. Es macht aus Kowalski eine Art pazifistischen Märtyrer, denn er geht unbewaffnet und provoziert die Hmong-Gang, ihre Waffen zu ziehen und ihn zu töten, womit sie dann erstmal aus dem Verkehr gezogen wären. Ein Opfer, zu dem ich persönlich kein rechtes Verhältnis gefunden habe, wahrscheinlich, weil ich weder auf Opfer noch auf Märtyrer stehe, und weil ich auch finde, dass diese Geste nicht so gut zu einem Film passt, der sich ansonsten ziemlich cool und dezent gibt und damit gut fährt. Eastwood ist mittlerweile ein Meister der bedächtigen, souveränen und fast meditativ langsamen Erzählart, und auch hier lässt er sich zwei Stunden Zeit, um Kowalski und seine Welt gründlich und detailliert zu beschreiben, eine Welt, die den Spagat zwischen den Erinnerungen an den grausamen Krieg, den Werten einer vergangenen Epoche und den Veränderungen der neuen Zeit auszuhalten hat.  Kowalski ist ein Relikt der alten Zeit, der letzte seiner Art in einem Viertel, das längst in den Händen einer bunt gemischten Gemeinde ist, die wiederum logischerweise keinerlei Verhältnis zu „klassischen amerikanischen“ Tugenden hat. Eastwood selbst verortet sich genau in diesem Spannungsraum: Der kritische aber dennoch bekennende Patriot einerseits, und der abgeklärte, lebenserfahrene Endsiebziger andererseits, der mittlerweile gelernt hat, vieles mit liebevoller Ironie zu betrachten, und so enden auch Kowalskis versuche, aus dem muffeligen, schmächtigen Thao einen harten US-Kerl zu machen, in wunderbar satirischen Seitenhieben gegen den altbackenen American Way of Life, den Walt noch immer verkörpert. Jeder Mann ist seines Glückes Schmied, jeder Mann hat das Recht, einen anderen Mann notfalls mit Waffengewalt von seinem Grund und Boden zu vertreiben und so weiter, man kennt das aus zig einschlägigen Machwerken. Eastwood selbst hast in einigen davon mitgewirkt, und ob er mit diesem Film nun Abbitte leisten wollte oder nicht, spielt eigentlich keine Rolle und macht den Dirty-Harry-Scheiß auch nicht ungeschehen. Immerhin, ein Film wie „Gran Turino“ zeugt von Entwicklung und Umdenken, und das allein macht schon einen gewissen Wert aus.

   Am Interessantesten ist hier die Bekanntschaft mit der Hmong-Kultur, die mir ehrlich gesagt bisher ziemlich unbekannt war. Opfer des Vietnamkriegs, beziehungsweise ihrer pro-amerikanischen Haltung, von den Kommunisten vertrieben, von den Amerikanern auch nicht gerade mit offenen Armen empfangen, leben sie in einigen großen Gemeinden im Mittelwesten (wo dieser Film angesiedelt ist) oder Kalifornien, und offenbar war den Machern dieses Films daran gelegen, die Hmongkommune so weit wie möglich einzubeziehen, also ihre Schauspieler zu rekrutieren und auf authentische Schauplätze auszugehen. So gewissenhaft wie das geschehen ist, so dünn und klischeehaft sind dann leider die Schwarzen und Latinos davongekommen, die üblichen Rüpel mit großer Schnauze in dicken Karren – das hätte so nicht sein müssen, obwohl es sicherlich einen Teil der Realität abbildet. Auch Walts Auseinandersetzungen mit dem milchgesichtigen Pfarrer sind eher schematisch ausgefallen. Anfangs ist das eifrig bemühte Bübchen kein gleichwertiger Partner für den grimmigen Griesgram, der al das selbst erlebt hat, wovon der Knabe auf der Kanzel nur predigt, doch nach und nach kommen sich die beiden näher, lernen einander zu respektieren, und am Schluss hat jeder vom anderen gelernt. Wenn das immer so einfach wäre…

 

   Trotzdem natürlich ein interessanter Kommentar zur ewigen Rassismusdiskussion, ein Film über Männer und was einen echten Mann ausmacht und letztlich auch ein Film über Amerika. Die wichtigste Erkenntnis, die er uns mal wieder nahebringt, ist die: Es gibt keine „richtigen“ Amerikaner. Jeder ist Nachfahre von Einwanderern, in welcher Generation auch immer. Es gibt Pollacken, Spaghettifresser, Iren, Bimbos, Chicanos, Sumpfratten, alles mögliche, nur keine echten Amerikaner. Es gibt leider nur welche, die sich dafür halten und alle anderen mit Verachtung und Hass behandeln, und so ist aus dem amerikanischen Traum leider nichts geworden. Eastwood steht dieser Tatsache vermutlich ambivalent gegenüber, aber er ist schon ein Typ, der in der gegenwärtigen US-Filmlandschaft aus dem Rahmen fällt, und abgesehen davon füllt er die Rolle des Kowalski auch ziemlich eindrucksvoll aus. Dass der Film nicht ganz so gut geworden ist, wie vielleicht möglich gewesen wäre, liegt auch diesmal wohl eher am Drehbuch, das an manchen Stellen etwas schwach auf der Brust ist. Aber das kennt man ja mittlerweile. (12.5.)