Harry Potter and the Half-Blood Prince (Harry Potter und der Halbblutprinz) von David Yates. England/USA, 2008. Daniel Radcliffe, Emma Watson, Rupert Grint, Bonnie Wright, Tom Felton, Michael Gambon, Alan Rickman, Maggie Smith, Jim Broadbent, Robbie Coltrane, Helen Bonham Carter, David Thewlis, Julie Walters
Das sechste Buch der Reihe hat vor allem die Aufgabe, das Feld zu bereiten für das spektakuläre Finale und das komplexe Verhältnis von Harry und Voldemort zu vertiefen und gleichzeitig zu erklären. Rowling hat sich wie immer reichlich Zeit genommen (auch dieser Roman, obgleich sehr viel besser als der Vorgänger, ist nicht frei von Langatmigkeiten), hat Hogwarts ein letztes Mal zum zentralen Schauplatz der Ereignisse gemacht, unternimmt sehr ausgedehnte Reisen in die Vergangenheit Tom Riddles, bevor er zu Voldemort wurde, stellt ihr etwas aberwitzig kompliziertes Horkruxmodell vor und beschäftigt sich ausführlich und sehr amüsant mit den hormonellen und amourösen Abenteuern unserer Helden. So richtig dramatisch (ich sage nicht spannend!) wird‘s diesmal erst relativ kurz vor Schluss, dafür dann aber so richtig, und der dunkle, schwere Nachhall wird bis ins letzte Buch nachklingen.
Nach dem für meinen Geschmack reichlich missglückten fünften Potterfilm ging ich diesmal mit eher zwiespältigen Erwartungen ins Kino, muss aber erfreut gestehen, dass diese Erwartungen weit übertroffen wurden, dass dieser Film zu den besten der Reihe zählt. Er ist im Ton nahe genug am Buch, er kürzt natürlich einiges, kappt ganze Sequenzen und sogar Personen, darunter auch manche Szene aus Riddles Kindheit, die wichtig und interessant gewesen wäre, doch insgesamt habe ich die Raffungen diesmal nicht als brutale Schnitte und nicht zum Nachteil des Films wahrgenommen, sondern als sinnvolle Maßnahme, um bei zweieinhalb Stunden bleiben zu können. Dabei kommt er schlecht vom Start weg, die ersten Minuten sind überaus holprig und ungeschickt, die Dialoge hören sich zumindest in der deutschen Fassung nicht gut an, Dumbledores Plan, mit Harry die einzelnen Erinnerungen durchzugehen, wird nur sehr vage erläutert. Spätestens in Hogwarts jedoch hat sich das gegeben, der Rhythmus ist gefunden, die Grundstimmung zwischen düsterer Vorahnung und pubertären Irrungen pendelt sich perfekt ein, und vor allem können die Schauspieler, die ja im fünften Teil streckenweise nur vergeudet wurden, diesmal wieder ihre Klasse und ihre spezielle Chemie miteinander gut zu Geltung bringen. Es ist schon faszinierend zu verfolgen, wie sich die Hauptdarsteller in all den Jahren entwickelt, wie sie sich in ihre Rollen hineingearbeitet haben, und nach wie vor ist für mich keine bessere Besetzung vorstellbar. Über das große Vergnügen, all die hochkarätigen britischen Charakterstars zu erleben, muss nicht noch einmal gesprochen werden.
Anders als in seinem ersten Potterfilm zeigt sich David Yates diesmal sehr viel stilsicherer und souveräner als Erzähler. Er lässt der Geschichte die Zeit, die sie benötigt, findet eine viel bessere Balance zwischen ruhigen und turbulenten Momenten und erzielt dadurch im Abschluss eine sehr große emotionale Wirkung, umso mehr, als er nicht mal zu sehr auf die Tränendrüse drückt, sondern sich in den entscheidenden Momenten fast ein wenig zurücknimmt. Natürlich hatte ich auch diesmal Augenblicke, in denen ich mir wünschte, der Film hätte sich mit der einen oder anderen Szene ein wenig mehr Zeit gelassen, hätte die Atmosphäre noch tiefer wirken lassen, aber mittlerweile habe ich mich wohl daran gewöhnt, dass der enorme Detailreichtum, der Rowlings Bücher nun mal auszeichnet, im Film unmöglich adäquat übertragen werden kann und kann in diesem Fall auch ganz gut damit leben. Dennoch gebe ich den HP-Exegeten völlig recht, die sich seit Jahr und Tag darüber beklagen, dass Rowlings liebevoll und auch zunehmend komplex entworfenes Universum mit unschöner Regelmäßigkeit zurechtgestutzt wird auf ein konsumentenfreundliches Maß, wobei sicherlich zu fragen wäre, wo man die Messlatte anlegt. Da Hollywood immer mit im Spiel ist, mach ich mir da keine Illusionen, zumal die Potterreihe natürlich ein wirtschaftliches Zugpferd allererster Güte ist – daher auch die für Fans unmöglich zu vermittelnden elend langen Wartezeiten zwischen zwei Veröffentlichungen. Ironischerweise hat man sich offenbar erstmal beim letzten Buch dazu durchgerungen, einen zweiteiligen Film anzufertigen, eine Maßnahme, die spätestens ab Buch Nummer vier angemessen gewesen wäre, weil ab hier der Substanzverlust zu krass und augenfällig war.
Alles in allem ist dies für mich ein ziemlich starkes und eindrucksvolles Kinoerlebnis, reiner Kommerz natürlich, keine Frage, jedoch hervorragend gespielt und mit den erwähnten Einschränkungen ausgezeichnet geschrieben und inszeniert. Ich kann wirklich nur hoffen, dass den Machern zu guter Letzt dann auch ein würdiger Abschluss gelingen wird. Anlass zum Optimismus bietet dieser wirklich ansehnliche Film immerhin. (15.7.)