Sztuczki (Kleine Tricks) von Andrzey Jakimowski. Polen, 2007. Damian Ul, Ewelina Walendziak, Rafel Guzniczak, Tomasz Sapryk, Iwona Fornalczyk, Joanna Liszowska
Es gibt tatsächlich noch Filme, auf die das klischeehafte und ärgerlich überstrapazierte Prädikat vom „Juwel“ voll und ganz zutrifft, Filme, die sogar einen Miesepeter wie mich einfach nur froh machen, ohne sich gleich als „Wohlfühlfilm“ ans Publikum ranzuschmeißen. Und meinetwegen kann dann noch einer nach vorn kommen und die Parole von DEM Sommerfilm 2009 unters Volk blöken – von mir aus okay. Solch ein Film jedenfalls ist das hier. Oft genug muss man weit abseits der ausgetretenen Pfade suchen, um darauf zu treffen, und polnische Filme, überhaupt Filme aus Osteuropa sind ja wahrlich keine regelmäßigen Gäste mehr bei uns im Kino, aber gottlob gibt es sie doch noch, und wenn ich einen Film wie diesen sehe und genieße, weiß ich auch, was wir an ihnen haben und was uns fehlte, wen dort drüben die gesamte Filmindustrie endgültig den Löffel abgeben würde – der Himmel mag es verhüten!
Wir sehen Stefek einen Jungen von acht oder neun Jahren oder so, der seinen Sommer daheim in einer ländlichen Kleinstadt irgendwo im Nirgendwo verbringt, also so richtig tief im Osten zwischen Schlaglöchern, Abbruchhäusern und postsozialistischer Tristesse. Vater ist seit Jahren weg, Mutter arbeitet den ganzen Tag, die (hinreißend schöne) Schwester Elka hat auch schon einen Job und einen Freund, lernt Italienisch und bewirbt sich bei eine. dieser modernen Technikfabriken draußen auf der grünen Wiese (die immerhin gibt’s da auch schon!) Stefek ist ein ziemlich wacher, agiler und vielseitig interessierter Typ, vor dem so gut wie nichts und niemand sicher ist im Städtchen: Er lernt, mit Trick siebzehn die Tauben des Nachbarn freizulassen, er experimentiert mit seinen Zinnsoldaten auf den Bahnschienen, er funkt Elka und Jerzy ständig dazwischen und lässt sich durchaus von den beiden nicht ausbooten, er begleitet Elka zu den Vorstellungsterminen und reichert die Szenerie auf seine Weise an (sprich pinkelt an die Karre des italienischen Firmenbosses, weil er die Daumen drücken musste und den Gulli nicht getroffen hat), und seit neuestem ist er überzeugt, jeden Morgen auf dem Bahnhof den Vater zu sehen und wird nun nichts unversucht lassen, ihn wieder mit der Familie zu verkuppeln. Die (kleinen) Tricks im deutschen und auch polnischen Titel kommen dabei reichlich zur Anwendung, eine reizende Mischung aus Glück, Schicksal und Kalkül gepaart mit allerhand abstrusen, haarsträubenden und einfach nur urkomischen Situationen, an deren Ende eine Wiedervereinigung sehr wahrscheinlich geworden ist, was unter anderem Stefeks entschlossener Beharrlichkeit zu verdanken ist.
Eigentlich vom ersten Moment an darf man sich ganz der trägen, entspannten Sommerwärme dies wunderbaren Films überlassen, und sich auf jede neue schräge Idee freuen. Stefek ist richtig echter Junge, eine Landplage zumeist, aber auch unheimlich charmant und wach und offen, und es bedarf schon einer sehr großen Portion Nachsicht und Geduld seitens der Schwester, die sich zudem anfänglich entschieden gegen den Gedanken stellt, den Vater wieder in ihr Leben zu lassen, denn anders als der kleine Bruder hegt sie offensichtlich noch einen argen Groll gegen den Herrn, der sie einst sitzen ließ und sich eine andere Frau angelte. Nach und nach jedoch kann er sie in seinen Plan einwickeln, und das geht so weit, dass sie schließlich ihr wichtigstes Vorstellungsgespräch verpasst, weil es so spannend ist abzuwarten, ob der Vater nun der Mutter die Blumen in den Laden bringt und was danach wohl passiert. Zwischendurch geht’s um andere Kleinstadtthemen, wie große amerikanische Autos, die Kunst, der Freundin genau den richtigen Schlitten anzupassen, Baden im Fluss, die scharfe Nachbarin und ihre keifende Mama, Zuhören bei den Alten und ganz allgemein Lernen, und das kann ein Bursche wie Stefek natürlich nie zuviel. Alles hier ist aufs Feinste geglückt: Die wunderschönen, stimmungsvollen Sommerbilder, das herrlich pointierte Drehbuch mit einer sensiblen Mischung aus Komik, Zärtlichkeit und sehr originellen Typen, und die Darsteller, die sämtlich umwerfend gut sind, ganz echt und natürlich (Laien, wie ich las) und einfach perfekt für diesen Film und sein Milieu. Wer einfach mal neunzig Minuten lang unentwegt kichern und froh sein will und außerdem mal Bilder aus einem anderen Filmuniversum genießt, darf diesen großen kleinen Film auf gar keinen Fall verpassen – und auch sonst sollte es niemand tun! (31.7.)