Mitte Ende August von Sebastian Schipper. BRD, 2008. Milan Peschel, Marie Bäumer, André Hennicke, Anan Brüggemann, Gert Voss

   Frauen und Männer – nicht erst seit Goethens Zeiten unerschöpflicher Quelle für Komödiantisches und Dramatisches, Tragisches und Groteskes. Irgendwie ist der Mensch schon komisch – nie und nimmer passen sie zusammen, die beiden Geschlechter, und dennoch versuchen sie es unentwegt wieder und wieder. Die Männer sind dumm und bräsig, die Frauen schwierig, sie arbeiten sich aneinander ab, sie reiben sich auf, und küssen und sie prügeln sich, sie lieben und sie hassen sich, zig Mal geht es schief und ebenso oft gibt’s dann wieder einen Neuanfang und alles geht wieder von vorn los. Ein Hamster im Laufrad ist nichts dagegen.

   Das hier soll eine moderne, freie Version der Wahlverwandtschaften sein (merkt man aber gottseidank nicht so), und zeigt Hanna und Thomas, die auf dem Land ein Haus kaufen und gemeinsam renovieren, und endlich mal Zeit und Raum haben füreinander und das sehr genießen. Solange, bis Thomas seinen Bruder Friedrich einlädt, der gerade vor den Trümmern seines Berufs- und Privatlebens steht und dringend Zuspruch und Ruhe braucht. Hann ist nicht sonderlich früh darüber und lädt zum Ausgleich ihre Patentochter Augustine ein, und nun, da sich zwei Männer und zwei Frauen versammelt haben, kann das erwartete Spiel erotischer Spannungen losgehen. Unerfreulicher Höhepunkt sind ein Geburtstagsessen mit Hannas grobem, polterigen Papa und ein Seitensprung Thomas‘, der sich nicht unter Kontrolle hat und die süße Augustine unbedingt ausprobieren muss. Hann flippt aus, Bruder und Patentochter werden hastig zur Abreise gedrängt, und am Schluss steht das Paar dort, allein wie am Anfang, und versucht einen schüchternen Neuanfang. Biopics sind augenscheinlich richtig en vogue zur Zeit, und auch die Franzosen haben sich auf ihre Ikonen besonnen - Hanna sagt noch: Vielleicht müssen wir ja in Zukunft nicht mehr überall hingehen, nur um zu schauen, wie es dort ist.

   Wahrlich ein kluger Satz, und wenn die Menschheit sich bisher daran gehalten hätte, wäre aller Welt enorm viel Leid und Unbill erspart geblieben! Leider aber ist der Mensch so, wie er ist, und so wird’s immer neues Futter für Geschichten wie diese geben, gut für die Kunst, nicht so gut für die Menschheit, die scheinbar einfach nicht aus ihren Fehlern lernen will. Ob ich das immer sehen und ertragen möchte, ist eine andere Frage und hat nichts mit der Qualität dieses Films zu tun. Der verlässt sich überraschenderweise weniger auf Dialoge als vielmehr auf Stimmungen, Momente, und hier hat er sicherlich seine Stärke. Der Verzicht auf stundenlanges, explizites Geschwätz ist sehr wohl tuend, zumal hier nachdrücklich bewiesen wird, dass man ohne viele Worte alles Nötige über Mann und Frau sagen und zeigen kann. Der hyperaktive, launige und etwas spinnerte Thomas und die in sich ruhende, geduldige Hanna entwickeln ihre eigene Dynamik, die empfindlich gestört wird, als nacheinander die anderen Gäste eintrudeln. Es ist wie immer: Die Frau mit ihren feinen Antennen weiß sofort, dass es Probleme geben wird, der Mann weiß natürlich nix, lässt sich dösig und ahnungslos treiben und treibt direkt auf die Katastrophe zu, sprich einen handfesten Flirt mit Augustine, die ihrerseits als junges Mädchen mit der Situation überfordert ist, sich gern erstmal ein Stück weit darauf einlässt, dann aber nicht rechtzeitig auf die Bremse treten kann (der Mann ahnt ja nicht mal, dass es sowas gibt wie eine Bremse). Thomas macht und tut und probiert erst, bevor er denkt. Hanna lebt genau andersherum, und zu zweit funktioniert das System ganz gut, und wenn man die beiden allein zusammen sieht, ist das völlig glaubhaft. Als es dann doch zur Eskalation kommt, werden die eher außenstehenden Friedrich und Augustine in den Strudel ihres Konflikts hineingesaugt und in gewisser Weiser auch benutzt, wenn auch mit deutlich unterschiedlichen Ausprägungen und Konsequenzen.

 

   Sebastian Schipper hat das sehr feinfühlig und mit bestechendem blick für Zwischentöne und Schwingungen inszeniert. Er fängt den ländlichen Sommer ähnlich intensiv ein wie das von Anfang an verkrampfte Bemühen Hannas, sich mit der ungewollten Situation zu arrangieren, während Thomas lärmend und hektisch durch die Gegend zappelt und sein ungutes Gefühl zu verdrängen versucht. Die Schauspieler sind schlicht brillant, jeder von ihnen, sie gestalten ihr Miteinander bemerkenswert unaufdringlich und zugleich höchst spannend, intensiv und vor allem glaubwürdig. Ein sommerlich-ländliches Kammerspiel mit altem Thema aber neuen Attraktionen, sozusagen in Bestbesetzung, weswegen ich es mir auch trotz des alten Themas gern angesehen habe. (19.8.)