Nur ein Sommer von Tamara Staudt. BRD/Schweiz, 2008. Anna Loos, Stefan Gubser, Oliver Zgorelec, Steve Windolf
Ich bin erst sechsunddreißig Jahre alt und ich kann nicht glauben, dass mich hier keiner braucht! Mit diesem Satz, der die aktuelle wirtschaftliche, gesellschaftliche und politische Situation eines ganzen Landes oder zumindest eines bedeutenden Teils davon erfasst, hätte dieser Film meines Empfindens nach unbedingt enden müssen. Doch er endet nicht damit, er schließt noch ein paar halbherzige und im Grunde bedeutungslose Szenen an, lässt den Ausgang dann aber doch im raum hängen, und diese Unentschiedenheit ist letztlich kennzeichnend für einen Film, der durch und durch nett und sympathisch ist und doch etwas mehr hätte werden können.
Eva aus dem Osten wird wie Millionen anderer auch von einer ABM-Maßnahme zur nächsten geschaufelt und entschließt sich eines Tages, den Sommer als Melkerin auf einer Schweizer Alm zu verbringen, denn Melkerin hat sie schließlich in der LPG gelernt. Da oben auf dem Berg gibt’s keine Frauen, erst recht keine Schweizerinnen mehr, die sind alle längst wieder in die Stadt desertiert, und folglich schart die smarte und zupackende Eva sogleich zwei Interessenten um sich, zum einen ihren netten Arbeitgeber Daniel, geschieden und etwas ungelenk im Handling des schönen Geschlechts, und Mehmet, jung und nett, der sich aber von Eva und ihren Bedürfnissen ein ganz falsches Bild macht. Eva hat auch noch einen Lover daheim, den Marco, der ist zickig und eifersüchtig und kreuzt auch manchmal kurz vor Ort auf. Es braucht einige Zeit, bis sich die Verhältnisse soweit klären, dass Eva und Daniel zwar mal kurz im heu verschwinden, es aber auf Dauer erstmal nichts mit ihnen wird, denn schließlich kommen sie aus ziemlich unterschiedlichen Sphären. Immerhin sehen wir am Schluss Eva mit dickem Bauch – und das könnte durchaus noch droben auf dem Berg passiert sein – und Daniel, wie er in der zünftigen Plattenbausiedlung zu Besuch erscheint.
Die amourösen Verwicklungen wollen nicht so richtig zünden, da fehlt einfach mal eine schicke Pointe oder eine energische Eva, die den drei Deppen den Marsch bläst. Sie jedoch hält sich unverständlicherweise sehr zurück, erst in der Auseinandersetzung mit dem bockigen Daniel wird sie dann endlich aktiv, und gleich nimmt die Geschichte wieder Fahrt auf. Die trostlose Lage in den blühenden Landschaften irgendwo hinter der Reichshauptstadt wird in wenigen Szenen bestechend plastisch umrissen und bedarf keiner zusätzlichen Kommentare, und die Alpenidylle bekommt trotz hinreißender Postkartenbilder ein paar hübsch ironische Brechungen, die darauf hinweisen, dass auch dort oben logischerweise nicht alles eitel Sonnenschein ist. Dazu gibt’s ein bisschen Kulturclash (so in der Art Deutsch-Schweizer Freundschaft), ein bisschen Screwball Comedy, ein wenig Erotik, viel Humor und eine tolle Anna Loos im Fokus, die dem Film viel Frische und Charme mitgibt, Ein schärferer sozialer Kommentar hätte sich angeboten, war aber offenbar nicht vorgesehen, obwohl ich finde, dass das momentan besonders angesagt wäre. Als Feelgoodmovie (beurk!) funktioniert die ganze Chose allerdings ziemlich gut, dies ist Unterhaltung für Herz und Auge und als solches absolut okay. (20.3.)