Ob ihr wollt oder nicht von Ben Verbong. BRD, 2008. Katharina Maria Schubert, Julia-Maria Köhler, Christiane Paul, Anan Böger, Senta Berger, Jan Decleir, Mark Waschke, Jan-Gregor Kemp

   Nochmal die Ostsee, ganz in der Nähe sogar, zwischen Laboe und dem Schönberger Strand – auch schön da! Dort trägt sich ein Familiendrama um Liebe und Tod zu, und Ben „Das Sams“ Verbong hat den grundsätzlich mutigen und löblichen versuch unternommen, einen Hochseilakt zwischen dem Leichten und dem Schweren zu unternehmen – und ist dabei leider einmal zu oft runtergefallen, was aber, und das muss ganz deutlich gesagt werden, nicht an der Regie liegt, sondern einzig und allein am Drehbuch.

   Die Ausgangslage ist einfach und schmerzhaft: Laura kommt ins Elternhaus. Um zu sterben und ruft dazu ihre übrigen drei Schwestern zu sich. Mama ist nicht amüsiert, und auch die anderen Mädels haben an ihren eigenen Baustellen genug zu tun, um sich mit der krebskranken Schwester zu befassen, doch nach einigem Auf und Ab kriegen sie dann doch einen guten Abschluss und einen barmherzigen Akt kollektiver Sterbehilfe hin, durch den Laura im Kreise ihrer erweiterten Familie einschlafen kann.

   Ich habe keinen Schimmer, was in aller Welt die beiden Drehbuchschreiberinnen dazu bewogen hat, in so vielen Szenen so grobmaschig und klischeehaft zu operieren und damit dem Film eines großen Teils seiner möglichen Wirkung zu berauben. Das fängt schon mit der Personenzeichnung an, eine Anhäufung in sich unstimmiger Stereotypen: Die verbiesterte Mama mit knotigen Bäuerinnenhänden (Senta Berger als totaler Fremdkörper in dem ansonsten fabelhaften Team), Papa der hilflos zurückgezogene geistige Mensch, eine Tochter als frustriert-verhärtete Geschäftsfrau, eine Tochter als spießig-schlichte Vollzeitmama, die jüngste als gnadenlos oberflächliches Sexluder, und inmitten all der Disharmonie Laura, die als einzige ein halbwegs abgerundetes Leben hingekriegt zu haben scheint und selbst im Endstadium ihrer Krankheit überall trösten und vermitteln muss. Soviel Klischees sind erstens unglaubwürdig, zweitens überflüssig und drittens sehr störend, werden aber immerhin von den wie gesagt ausgezeichneten Schauspielern ausgebügelt. Die Drehbuchschwäche setzt sich fort in einzelnen Szenen, die von vorn bis hinten merkwürdige misslungen sind, beispielsweise Lauras letzte Segnung durch den Ortspfarrer oder ihr skurriler Auftritt am Fährhafen, wo sie ihren verzweifelten Gatten zu einer spektakulären Rettungsaktion herausfordert. So kommt es, dass grundsätzlich sehr ernsthafte und ambitionierte Themen wie Sterben, Tod und auch Sterbehilfe insgesamt zu undeutlich herausgearbeitet werden können und daher nicht wirklich überzeugen. Das Familiendrama reiht etwas monoton eine Krisenszene an die andere, jede der Schwestern hat ihren großen Auftritt, zwischendurch gibt‘s auch mal kurze Momente des Friedens und ein bisschen Sex mit der äußerst attraktiven Toni, zuletzt aber sortieren sich die Verhältnisse sauber, eine jede findet ihren Kerl oder ihre Identität wieder, und so kann in allgemeiner Übereinstimmung der finale Cocktail angerührt werden.

 

   Ben Verbong versteht sich insgesamt besser auf die leichteren, die humorvollen, zarten Momente, doch gelingen ihm auch einige sehr eindringliche und zu Herzen gehende Szenen, und ich muss schon sagen, dass ich zwischenzeitlich durchaus bewegt und angetan war, doch fehlt dem Film die nötige Geschlossenheit, das überzeugende Gesamtkonzept, in dem all die vielen Themen und Motive sinnig und stimmig vereint sind. Es ist schön, auch Humor und einige originelle Frechheiten verbunden mit Momenten von Trauer und Verlust zu sehen, doch verschenkt der Film viel von seiner Substanz in der teilweise lieblosen Anlage der Figuren im Drehbuch, Schade, denn die Möglichkeit zu sehr viel mehr wäre allemal da gewesen. (6.5.)