The boat that rocked (Radio Rock Revolution) von Richard Curtis. England, 2008. Tom Sturridge, Billy Nighy, Rhys Ifans, Philip Seymour Hoffman, Nick Frost, Gemma Arterton, January Jones, Tom Brook, Rhys Darby, Chris O’Dowd, Ralph Brown, Talulah Riley, Kenneth Branagh, Emma Thompson

   Dieser Film ist ein Kunstwerk. Nichts geringeres! Er hat das seltene Kunststück vollbracht, ein Thema, das mir wirklich total am Herzen liegt, dermaßen zu vermurksen, dass ich mit stetig wachsendem Verdruss zuschaute und am Schluss einfach nur noch verärgert war über soviel himmelschreiende Verschwendung – solch eine schöne Story, soviel vielversprechender Zeitgeist, soviel tolle Musik, so viele gute Schauspieler – und solch ein schwacher Film. Also, das ist wirklich eine Rarität (dazu auch noch aus England!) und muss entsprechend gewürdigt werden.

   Die Story: Wir schreiben das Jahr 1966, der Beatboom ist seit langem schon in vollem Schwung, nur die ehrwürdige BBC hat dies scheinbar nicht zur Kenntnis genommen und spielt pro Tag höchstens eine Stunde Rockmusik. Wie gut, dass es die vielen kleinen Piratensender gibt, die aus geheimen Verstecken heraus ihre subversive Botschaft aufs begeisterte Volk loslassen, und einer davon ist auf einem Boot untergebracht, das draußen in der Nordsee schwimmt und von einer Horde irrer und exzentrischer Musikfanatiker behaust wird. Wir lernen die schräge Crew und ihr explosives Programm aus der Sicht des jungen Carl kennen, der neu an Bord kommt und fortan die bunte Gemeinschaft und ihre turbulenten Erlebnisse miteinander, mit dem weiblichen Geschlecht und einer finalen Havarie teilt. Gleichzeitig bemüht sich das britische Unterhaus um eine fiese Gesetzesinitiative, um die Piratensender endlich verbieten zu dürfen, was1967 tatsächlich auch gelingt. Den Siegeszug des Rock’n Roll konnte man damit bekanntermaßen nicht aufhalten, und dazu möchte sich der Film gern bekennen – zur befreienden Kraft der Musik, zum freien, unangepassten Leben.

   Man könnte fast schon schmunzeln angesichts der klaffenden Schere zwischen Anspruch und Wirklichkeit, denn alles in allem kommt der Film so oberflächlich, klischeehaft und brav daher, dass ich ihm die behauptete Botschaft zu keiner Zeit abgenommen habe. Nichts funktioniert hier: Die DJs von Radio Rock sind sämtlich platte, lieblos hingeschluderte Stereotypen 8 auch die besten Schauspieler haben dagegen keine Chance), ihre Gags meistens nicht mehr als öde, schmierige Herrenwitze und absolut nicht cool, die Frauen fungieren dementsprechend ausschließlich als sexual interest und sind, so wie sie hier behandelt werden, bestenfalls ein eindimensional zu bezeichnen, eine Story in dem Sinne gibt es nicht, aber auch die einzelnen Episoden sind wenig überzeugend verknüpft, und nicht mal die Musik kommt gut rüber, zu viele Songs zu hastig aneinander geschnitten, egal ob’s zusammenpasst. Dazu wird dann auch noch die Chance versiebt, etwas mehr über die Zeit, ihren Geist und ihre Kultur zu sagen, denn die videoclipartig aneinandergereihten Impressionen zu manchen Songs reichen unmöglich aus. Shiny happy people all over Britain, sich ganz nett und schmissig, aber genauso wenig aussagestark wie der ganze Rest. Wer nur diesen Film kennt, kann nie und nimmer ermessen, welche Bedeutung Rock’n Roll wirklich für viele Menschen damals hatte und welche immense Kraft er zumindest auf gewisse gesellschaftliche Bereiche ausübte.

 

   Die größte Katastrophe dieses Films aber ist seine Dramaturgie. Richard Curtis, der zuvor den gefälligen und wirklich netten Ensemblefilm „Tatsächlich Liebe“ gemacht hat, ist total der falsche Mann am Ruder, er hat es einzig auf den Wohlfühlfaktor abgesehen, bedient jede Erwartung so schnell und billig wie im fast-Food-Laden, zeigt absolut null Gefühl für das Thema und die Menschen hier und lässt die ganze flache Soße zu allem Überfluss dann auch noch über hundertdreißig schier endlose Minuten plätschern, was mir persönlich den Rest gegeben hat. Die Substanz gibt höchstens Stoff für knackige neunzig Minuten her, die hätten unter diesen Umständen sowieso locker gereicht, aber aus einem Nichts und massenweise Plattitüden auch noch eine überlange Seifenoper zu fabrizieren, setzt dem Ganzen die Krone auf. Dennoch gibt es auch inmitten dieses durch und durch missratenen Blödsinns einen einzigen Moment, der mein Herz erquickte, und der kommt, als Bob der bärtige Säurekopf aus dem bereits sinkenden Schiff seine Plattensammlung retten will und sich schließlich kurz vor dem Ertrinken für eine einzige Platte entscheiden muss, für die eine, ohne die er wirklich nicht leben kann – und das ist „The 5000 spirits“ von der Incredible String band! Für diese kurze Sekunde vergaß ich also meinen Ingrimm und freute mich an der Gewissheit, doch nicht ganz allein im Universum zu sein… (26.4.)