So glücklich war ich noch nie von Alexander Adolph. BRD, 2008. Devid Striesow, Nadja Uhl, Jörg Schüttauf, Floriane Daniel, Thorsten Merten, Hansa Czypionka, Elisabeth Trissenaar

   Die tragikomische Geschichte von Frank, der oft in den Spiegel sieht, aber im Grunde nicht weiß, wer er wirklich ist. Wahrheit und Imagination driften oft beängstigend weit auseinander, was im glücklichsten Fall zu witzigen Szenen oder zu genialen Eulenspiegeleien führt, im übelsten Falle allerdings zu Tätlichkeiten und Kerkerhaft. Diese unberechenbare Mischung ruiniert aktuell Ege, Berufslaufbahn und Gesundheit seines naiv wohlwollenden Bruders, der Franks offenkundiges Problem nicht zur Kenntnis nehmen will, sie führt aber auch dazu, dass er die hübsche Tanja aus den Klauen ihrer fiesen Bordellchefin freikauft und sie für kurze Zeit tatsächlich glauben macht, die beiden könnten eine realistische Zukunft zusammen haben. Aber da hält unten vor dem Haus schon wieder mal ein Blaulicht…

   So unberechenbar wie Frank im einzelnen ist der Film auch insgesamt, was ihn auf jeden Fall schon mal davor bewahrt, ein seichtes teutsches Komödchen zu werden. Kommt vielleicht ein bisschen darauf an, wo man sich selbst positioniert, ich für meinen Teil fand die ernsten Töne bei weitem überwiegend, obwohl Franks Trickbetrügereien streckenweise auch hinreißend komisch sind und die spitze Satire auf den typisch deutschen Businessjargon immer wieder ins Schwarze trifft. Wie Frank es schafft, mit ganz wenigen Änderungen in Körperhaltung, Mimik und Tonfall die Wandlung vom schlichten, von niemandem wahrgenommenen Raumpfleger zum selbstbewussten, respektgebietenden Börsenspekulanten hinzukriegen, ist sehenswert und sagt fast alles über unsere moderne Kapitalismusordnung. Der Mann ist ein verblüffendes Chamäleon, mal ein ungelenk stammelnder kleiner Junge, mal ein cooler, weltgewandter Anzugträger, mal fürchtet man buchstäblich um sein Leben, mal genießt man seine brillant ausgetüftelten Aktionen, und mal möchte man ihn hassen für seine Ignoranz, was die möglichen Folgen für die Mitmenschen angeht. Witzigerweise täuscht er mit Vorliebe Männer, wohingegen alle relevanten Frauen in dieser Geschichte ihn mehr oder minder zügig durchschauen, auch Tanja, die sich dennoch an die vage Möglichkeit klammert, irgendwie aus ihrem alten Leben ausbrechen zu können.

   Es gehören ein ausgewogenes Drehbuch und vor allem feine Schauspielkunst dazu, eine solch wenig greifbare, irisierende Gestalt mit Leben zu füllen, und das ist hier geglückt. Autor/Regisseur Adolph nimmt Frank jederzeit ernst, ohne den komischen Aspekt des Dramas zu verleugnen, er interessiert sich weder für einseitige Verurteilung noch für bloße Sympathie, er interessiert sich vor allem für Milieus und die Leute darin, und ohne viel Worte habe zumindest ich ein gewisses Verständnis für Franks Streben nach dem utopischen Glück entwickelt. Die Flieger oben am Himmel, Synonyme für die große ferne Welt zwischen Lissabon, Moskau und Oslo, illustrieren Franks Sehnsucht, sein jungenhaft schwärmender Blick nach oben hat durchaus etwas Entwaffnendes, genauso wie die Naivität, mit der er Tanjas qualliger Puffmutter gegenübertritt, die die Trissenaar mit sichtlichem Genuss an österreichischen Gemeinheiten ausgestattet hat. Berlin ist hier eine großspurige Stadt auf dünnem Eis – Erfolg und Absturz gehen Hand in Hand, der pompöse Villenbesitzer wird ruckzuck übers Ohr gehauen, der leichtgläubige geldgierige Chef einer Kleinpartei ebenso zackig gelinkt, viele strampeln knapp an der Wasseroberfläche, schlimmstenfalls kommen Schläger jedweder Couleur und reagieren ihren Frust gründlich ab, und Vertrauen ist ganz allgemein ein kostbares, seltenes und mit Vorsicht zu gebrauchendes Gut. Auch das ist drin in diesem Film, ohne dass es langer und breiter Kommentare bedurfte.

 

   Devid Striesow, seit langem einer meiner Lieblingsschauspieler hierzulande, ist so sensationelle gut in seiner Rolle als Frank, dass es bereits ein großes Vergnügen ist, ihm nur beim Spielen zuzusehen, wie er einerseits ganz in der Figur aufgeht, andererseits aber noch genug Abstand wahrt, um auch uns einen freien Zugang zu ermöglichen und um positive wie auch negative Gefühle zulassen zu können. Ganz große Kunst zeigt er hier, flankiert natürlich von nicht minder vortrefflichen Darstellern, allein Schüttauf hat mit dem Part des eigentümlich naiven und allzu wohlwollenden Bruders Probleme, denn dies ist die einzige Person, die im Drehbuch ein wenig aus dem Ruder gelaufen zu sein scheint. Ansonsten ist dies eine feine, sehr originelle Tragikomödie aus dem Land der Sieger, Verlierer und Täuscher, und ich könnte mir vorstellen, dass unser geheiligter totalitärer Kapitalismus auch eine gute Zielscheibe für etwas schärfere Munition abgibt. Das Potential ist, wie man sieht, jederzeit da. (19.4.)