Soul Kitchen von Fatih Akin. BRD, 2009. Adam Bousdoukos, Moritz Bleibtreu, Anna Bederke, Pheline Roggan, Wotan Wilke Möhring, Dorka Gryllus, Birol Ünel, Lucas Gregorowicz, Demir Gökgöl, Udo Kier, Monica Bleibtreu
Es musste ja so kommen – zum Jahresausklang gibt‘s nochmal einen Wohlfühlfilm, diesmal auf Deutsch, weil es halt ein deutscher Film ist und als solcher bereits ein Unikum, denn gut geratene Wohlfühlfilme aus unseren Landen sind fürwahr eine Rarität, die meisten nur doof und albern, und selten, ganz selten nur könnte man von einer wirklich gelungenen deutschen Komödie sprechen.
Sicher ist Akins neuer Film eine gelungene deutsche Komödie, wenn auch nicht gerade sein bester und wenn auch alles andere als makellos, und die Auszeichnung in Venedig finde ich auch ein wenig skurril. Nun ja., Ich gebe dennoch zu, dass ich mich weitgehend ausgezeichnet amüsiert habe, was vor allem daran liegt, dass Akins unbändiges Temperament auf Dauer einfach entwaffnend ist – was mich bei „Gegen die Wand“ streckenweise noch ein wenig genervt hat, ist diesmal zweifellos der große Pluspunkt.
„Soul Kitchen“ ist eine mitreißende Hommage an das Leben, die Liebe, die Freundschaft, an Essen, Musik, Leidenschaft und vor allem an das multikulturelle Hamburg, das hier gefeiert wird wie noch nie. Zwischen all den Griechen, Türken, Polen, Russen und Afrikanern wirken die versprengten Deutschen fast wie Ausländer – eine lustvolle Umkehrung der Verhältnisse in einer liebenswürdigen Utopie, der ich mich zu hundert Prozent anschließen könnte. Eine so weltoffene Stadt wie Hamburg scheint der ideale Ort, um das (durchaus nicht konfliktfreie) Zusammenleben unterschiedlicher Kulturen zu ermöglichen, so wie Akin es selbst in seinen Filmen immer proklamiert und problematisiert hat.
Bei alledem hat Akin ungewöhnlich wenig Sorgfalt auf seine Story oder seine Figuren verwendet. Wir sehen den jungen Gastwirt Zinos bei den versuchen, mit Hilfe des exzentrischen, jähzornigen Küchengenies Shayn seinen bislang eher schlichten Schnitzel-und-Pommes-Laden in Wilhelmsburg irgendwie in Schwung zu bringen und zugleich die Beziehung zu Nadine zu retten, die aber Näschen ein wenig höher trägt und auf die Dauer mit Schnitzel und Pommes nicht recht zufrieden ist. Bruder Illias kommt ins Spiel, ein notorischer Gauner und Spielsüchtiger, der sich sofort in Zinos Thekendame Lucia verguckt und sonst eher Unheil anrichtet. Ein alter Kumpel kommt auch ins Spiel, der es mittlerweile zum öligen Geschäftsmann gebracht hat und sogleich die Chance wittert, ertragreiches Bauland am neuerdings angesagten Standort preiswert abgreifen zu können. Immer turbulenter werden die Ereignisse, immer dramatischer die Verwirrungen, immer lauter die Musik, und zwischen Liebesgram, aphrodisierenden Tropenhölzern, Bandscheibenschmerzen und Existenznot, zwischen Knast, Kiezkneipe und Physiotherapie kämpft der wackere Zinos mit letztem Einsatz und letztlich auch mit Erfolg. In jeder Hinsicht: Nicht nur wird er seine Soul Kitchen neu beleben, er schnappt sich auch noch das süßeste Mädchen weit und breit.
Ja, für süße Mädchen scheint der gute Fatih echt was übrig zu haben, aber auch für originelle Typen abseits vom Mainstream und natürlich für Musik in so ziemlich jeder Spielart, und von alledem kriegen wir hier eine richtig fette Ladung ab. Akin geht ziemlich unbekümmert mit Sachen wie Glaubwürdigkeit oder Dramaturgie um, er lässt es einhundert Minuten lang krachen, und das ist mal fabelhaft und sehr lustig, manchmal aber auch des Guten zuviel, und so hatte ich zwischendurch einen ziemlichen Durchhänger, als sich die Ereignisse allzu willkürlich und wahllos überschlagen, eine groteske Szene die nächste jagt und Akin etwas einfallslos einzig auf deftigen Klamauk zu setzen scheint, der bei aller Euphorie eindeutig nicht in diesen Film passt (Stichwort: Das Finanzamt ficken…). Hektische Massenszenen überschlagen sich, die Story gerät kurzfristig völlig aus dem Ruder und die extrem sympathischen Hauptpersonen fallen einfach aus dem Blickfeld. Gottlob kriegt er dann später wieder die Kurve, und gerade die letzte halbe Stunde ist wirklich schön, weiterhin total witzig und trotzdem menschlich berührend, zumal Akin nun seine unbedingt positive Energie und seiner Liebe zu den Figuren gewinnbringend einsetzt und endlich nach einigen Startschwierigkeiten auch das Timing in den Griff kriegt. Und so gehe ich dann doch bestens gelaunt raus in den typischen Bielefelder Scheißwinter, habe noch den Geschmack von schönen Bildern, schönen Frauen, grandiosen Schauspielern und toller Musik im Kopf, habe die Schwächen im Mittelteil halbwegs vergessen, weiß trotzdem, dass Akin schon bessere Filme gemacht hat, weiß aber auch, dass er bisher wahrscheinlich noch keinen so unterhaltsamen Film gemacht hat. Ob das gleich einen preis bei einem renommierten internationalen Festival rechtfertigt, mag eine andere Frage sein – sicher nicht die wichtigste. (29.12.)