Nuna muta (Stille Hochzeit – Zum Teufel mit Stalin) von Horatiu Malaele. Rumänien/Frankreich, 2008. Meda Andreea Victor, Alexandru Potocean, Doru Ana, Iona Anastasia Anton, Alexandr Marian Bindea, Luminita Gheorghiu, Simona Stoicescu, Serban Pavlu, Victor Rebengiuc, Tamara Biciuceanu

   Der wie so häufig leicht verdepperte deutsche Filmtitel schaut offenbar auf die Vermarktung als fröhlich turbulenten Jux, und es gibt zwischendurch einige Passagen, die durchaus in diese Richtung weisen, insgesamt aber ist dies alles andere als leichte Kost. Eher typisch Balkan, würde ich sagen: Ziemlich schräg in vieler Hinsicht, vor allem was die Leute angeht, durchzogen von wüstem Humor, der auf einer Rasierklinge zu balancieren scheint, das heißt, stets mit Blick in den Abgrund. Und der öffnet sich zum Schluss verschlingt das kleine Holzhausdorf mitsamt seinen männlichen Einwohnern und zurück bleibt das hinlänglich bekannte Kommunistenelend aus Tyrannei, Gewalt und Armut. Der Film basiert auf tatsächlichen Ereignissen aus den 50er Jahren, was man sich nur zu gut vorstellen kann.

   Ein Filmteam im Rumänien von heute macht sich auf die Suche nach ungewöhnlichen, unheimlichen Geschichten und stößt auf die Reste eines Dorfes, das einst von den Kommunisten zerstört wurde. Auf den Ruinen wurde ein gigantischer Industrieklotz errichtet, der nun wiederum verfallen ist und von zahlreichen schwarz gekleideten alten Frauen behaust wird. Der einzige Mann vor Ort berichtet, was geschehen ist: Im Jahre 1953 wird die Hochzeit von Mara und Iancu jäh unterbrochen, weil der Genosse Stalin stirbt und die russischen Machthaber eine siebentägige Trauer anordnen, deren Missachtung hart sanktioniert wird, und das heißt auch: Keine Hochzeitsfeiern. Die Bewohner des kleinen Dorfes bekommen dies zu spüren: Erst versuchen sie, die Hochzeit klammheimlich und ohne jeden Lärm auszurichten, dann jedoch geht das Temperament mit ihnen durch und sie müssen dafür bitter bezahlen: Der russische Bruder kommt mit Panzer und Soldaten, die Männer werden abgeholt oder gleich vor Ort hingerichtet, nur der kleine Junge kommt mit dem Leben davon, und er ist es, der mehr als fünfeinhalb Jahrzehnte später die Geschichte erzählen kann.

 

   Ein wunderbar vitaler, schön fotografierter, temperamentvoll gespielter und inhaltlich tiefgründiger Film. Deftige, überaus erdverbundene und lautstarke Lebensfreude stößt auf militärischen Drill und stalinistische Doktrin, die sich hier auf dem Land schwer tut, alle zu erreichen. Entsprechend frustriert ist der Bürgermeister, eine tumbe Variation vom Herrn Peppone, denn er versucht verbissen, neue Schäfchen für die rote Gemeinde zu rekrutieren, doch leben die lieber ihr eben, vögeln munter im Heu oder auf dem Feld, raufen in der Kneipe oder daheim mit der Ehefrau, saufen sich eins und pfeifen auf den mörderischen Diktator und seien Blutschergen. Ein zunächst ungetrübtes, wenn auch in sich nicht gerade harmonisches Idyll, dem der Film in leuchtenden Farben, bukolischen Impressionen und herrlich wilden Szenen huldigt, die meinetwegen ans Kusturica und Konsorten erinnern mögen, die aber deutlich eine eigene, rumänische Handschrift tragen. Der unentwegte Hickhack mit dem Provinzkommunismus lässt schon befürchten, dass der Spieß eines Tages umgedreht werden und sich der dauernd verhöhnte und veralberte Kader auf irgendeine Weise rächen könnte, doch was dann tatsächlich geschieht, übersteigt diese Befürchtungen bei weitem. Fassungslos stehen die Dorfbewohner vor dem russischen Soldaten und seinem rumänischen Dolmetscher (im Ledermantel, wie einst die Deutschen…), und sind offenkundig außerstande, dem ernst der Situation Rechnung zu tragen, denn ihnen geht der Tod des genossen Stalin gelinde gesagt am Arsch vorbei, genau wie ihnen der Kommunismus insgesamt am Arsch vorbei geht, solange sie in Ruhe leben können. Ihre Bemühungen, bei der Feier größtmögliche Stille walten zu lassen, sind von fast verzweifelter, aber auch zauberhafter Komik, in die dann jäh der russische Panzer bricht und damit die bittere Erkenntnis, dass man sich auf Dauer gegen soviel Macht und Brutalität nicht wehren, dass man ihnen nicht ausweichen kann. Eine Lektion, die offenbar nicht nur die Bewohner dieses Dorfes mit dem Leben bezahlt haben. Am Schuss zieht die Kamera weit über eine graue, tote Industriewüste, wo früher buntes Leben herrschte, ein trauriger Schlussstrich unter eine traurige Geschichte, die zwar sehr komisch anfängt, aber nicht so endet. Tolles Kino vom Balkan, einmal wieder, und einmal wieder weckt der Film in mir den Wunsch, es möge mehr von dort zu uns rüberkommen. (11.12.)