Direktøren for det hele (The boss of it all) von Lars von Trier. Dänemark, 2006. Jens Albinus, Peter Gantzler, Sofie Grabøl, Iben Hjejle, Benedikt Erlingson, Mia Lyhne, Jean-Marc Barr, Fridrik Thor Fridrikson

   Der arme Meister Lars hat in den letzten Jahren fast nur noch Prügel für seine Filme gekriegt – zu elitär, zu borniert, zu abgehoben und so weiter, und angesichts seiner durchweg cool distanzierten Aura und seiner Vorliebe für provokative und ebenso anstrengende Exerzitien ist er sicherlich zurecht umstritten, und auch ich mag nicht jeden seiner Filme in jeder Stimmung anschauen (ich mag auch gar nicht jeden seiner Filme!).

   Der hier ist doch aber wirklich nett, und diesmal habe ich die einstimmige böse Kritikerschelte überhaupt nicht nachvollziehen können, denn endlich, so könnte man sagen, hat er mal wieder einen zugänglichen und vor allem lustigen Film gemacht, und zwar einen ziemlich lustigen, da waren meine Mitschauer im Kino auch weitgehend einer Meinung, und so erklang neunzig Minuten lang oft fröhliches Gelächter, das sich zuletzt mit einer Spur Entsetzen mischte, aber wenigstens das konnte man von dem ollen Dänen ja wohl erwarten, dass ihm nicht der Sinn nach der seichten Lösung steht.

   Ein schräger Typ engagiert einen schrägen Schauspieler, um in einer schrägen IT-Klitsche vorübergehend den Oberboss zu spielen. Er will einen Deal mit ein paar Isländern machen, die Firma verkaufen, sich selbst ins warme Nest setzen, seine treuen alten Mitarbeiter an die Luft setzen und obendrein noch ihr Patent abzocken. Die Mitarbeiter – allesamt ebenfalls reichlich schräg - halten den Kerl für Gott und lassen sich abwechselnd von ihm und dem Schauspieler total an der Nase herumführen, bis es plötzlich zu einem ganz unerwarteten Moralschub kommt und der Schauspieler beinahe seine soziale Verantwortung erkennt und das Spiel gegen den Fiesling umdreht. Aber eben leider nur beinahe…

   Zum Ende verkehrt sich der zuvor recht fröhliche und anarchistische Humor  mit ein paar unbekümmerten Albernheiten und einigen ebenso zielgenauen Attacken gegen die hohlen Sprachhülsen des Business und gegen die Amoralität des modernen Kapitalismus sozusagen in allerletzter Sekunde ins höhnische Gegenteil, und hier treibt von Trier dann wieder eines seiner gemeinen, gehässigen Spiele mit uns, die wir natürlich ein einziges Mal auf einen versöhnlichen, menschlichen Ausklang hoffen, und wie die armen Mitarbeiter gebannt auf den verwirrten Schauspieler starren, der seine größte Rolle voll auskostet und weiß, dass von seiner Laune allein es abhängt, ob der Deal zustande kommt und sechs Leute um ihre Arbeit betrogen werden oder nicht. Eine läppische kleine Unterschrift entscheidet, und der verspannte und versponnene Künstler nutzt die Situation für eine grotesk eitle Soloshow, die uns auch noch mal daran erinnert, dass Big Business ein einziger Affenzirkus ist, in dem mit einem Fingerschnippen über Schicksale entschieden wird. Von Trier mochte sich diesmal nicht zu seinem häufig sehr brandigen Zorn aufschwingen, sondern beließ es bei einer betont simpel heruntergedrehten Videoproduktion, die in vielem an die alten Dogma-Filme erinnert, und gönnte sich lediglich die Extravaganz, ab und zu mal selbst als Spielleiter zum Publikum zu sprechen und dies in amüsiert ironischem Tonfall mit dem Gestus des mild überlegenen Betrachters, der ebenfalls aus spontaner Eingebung heraus seine Geschichte in die eine oder andere Richtung lenkt. Auf diese Pose hätte ich persönlich gern verzichtet und kann mir denken, dass gerade sie wieder die Abneigung einschlägiger Rezensenten entzündet, finde sie außerdem für das gesamte Projekt reichlich überflüssig, zumal die launischen Exkurse auf der Metaebene wenig zur Bereicherung des Ganzen tun. Das tun hier vor allem die Schauspieler, die sämtlich grandios und mit unheimlichem Spaß bei der Sache sind. Viele Szenen wirken spontan improvisiert, und auch einige etwas derbere Kalauer werden bruchlos eingefügt, und das ist auch kein Problem, denn an anderer Stelle finden sich wieder schön böse Bemerkungen zum sprichwörtlichen Turbokapitalismus sowie herrlich scharfsinnige und skurrile Wortspiele mit dem typisch anglisierten TV-Jargon, der sich immer wieder selbst in seiner Lächerlichkeit entlarvt.

 

   Ich habe mich also richtig gut amüsiert und war natürlich besonders entzückt, den Adler und die Kommissarin Lund gemeinsam, auf dem Bildschirm zu sehen – ein echtes Gipfeltreffen, nur in völlig anderem Kontext. (15.1…)