The International (#) von Tom Tykwer. England/USA/BRD, 2008. Clive Owen, Naomi Watts, Armin Müller-Stahl, Ulrich Thomsen, Brian F. O’Byrne, Patrick Baladi, Luea Barabreschi, Haluk Bilginer, Michel Voletti
Zunächst mal ein Film, der seinem Titel wirklich Ehre macht – zwischen Berlin, Mailand, Luxemburg, Lyon, New York, dem Lago d’Iseo und schließlich Istanbul eilt die Story hin und her, rastlos (jedoch nicht hastig) von Schauplatz zu Schauplatz, ganz dem Thema entsprechend, denn es geht um die globale Verquickung von internationaler Finanz, internationaler Politik, internationalem Business und internationaler Kriminalität, kurz, es geht mehr oder weniger um unsere moderne Weltordnung im Ganzen, denn genau daraus besteht die ja wohl. Wir sehen eine Luxemburger Investmentbank, die ihre Milliardengeschäfte mit Waffenverkäufen und Kriegsprofiten macht, die sich als Mittler in Waffengeschäfte einklinkt und beispielsweise kräftig mitverdient, wenn gewiefte Geschäftemacher, ob italienische oder türkische oder russische oder sonst eine Mafia, zwei verfeindeten Parteien als Gipfel des Zynismus‘ Waffensysteme verkaufen, die jeweils einander neutralisieren. Die Verstrickung in die internationale Wirtschaftskriminalität erfordert bei Bedarf natürlich das gewaltsame Ausschalten gefährlicher Elemente, ob aus den eigenen oder aus fremden Reihen, und hier kommt unser Protagonist ins Spiel, ein Interpolermittler, früherer Kriminalbeamter und seit Jahren auf der Fährte der bewussten Bank. Louis Salinger versucht mit allen Mitteln und unter Aufbringung beträchtlicher Opfer, Zugang zu den Machenschaften zu kriegen und er versucht, einen Weg zu finden, Beweise gegen die Bosse und ihre internationalen Kontakte zu sammeln. Schließich kann er einen ehemaligen Stasioffizier festnageln und zur Kooperation zwingen, doch der macht ihm klar, dass er, um der Gegner habhaft werden zu können, selbst einige Grenzen überschreiten muss, und genau so kommt es auch zum Schluss, denn wenn der dänische Bankenchef (Global Player, gelt) schließlich tot auf einem Dach in Istanbul liegt, hat Salinger unter dem Strich vermutlich mehr verloren als gewonnen. Kurz vor seinem Tod hat ihm der Bankier schon klargemacht, dass nach ihm andere kommen und genau so weiter machen werden, denn dies ist nun mal der Lauf der Welt und den kann oder will niemand ernsthaft ändern, weil sich einfach zu viel Geld damit verdienen lässt.
Ein echter Verschwörungs- und Politthriller nach großen Vorbildern, inhaltlich gerade momentan extrem aktuell, und weil ich dieses Genre schon immer geliebt habe, gefällt mir auch Tom Tykwers neue Großproduktion sehr gut, obwohl ich ganz allgemein Vorbehalte habe, wenn solche Leute, die dem deutschen Film einige Dienste erwiesen haben, plötzlich den Blick aufs große Geld kriegen und in ganz anderen Dimensionen denken und filmen. Sein Süskindfilm hat mich von Anfang an nicht interessiert, der hier aber schon, zumal er mit einer attraktiven, zeitkritischen Story und höchst attraktiven Stars aufwartet. Die Crew ist ebenfalls international, die ausgezeichneten Darsteller kommen aus aller Herren Länder, mit Clive Owen und Naomi Watts sehen wir zwei tolle Topstars, obwohl die schöne Naomi mal wieder etwas unterfordert ist und nicht ganz so zum Zug kommt, wie ich es gern hätte (und dann leider auch ziemlich unmotiviert einfach aus der Geschichte gekippt wird), und die supporting cast ist mit Charakterköpfen wie Müller-Stahl und Thomsen exzellent besetzt. Kameramann Frank Griebe fabriziert einige tolle, ganz moderne und atmosphärische Bilder aus unserer schönen neuen Welt, die Schnittabteilung hackt und häckselt was das Zeug hält, und Tykwer variiert das Tempo sehr effektvoll, legt grundsätzlich keine unnötige Hast an den Tag, doch wenn es sein muss, geht’s auch ganz gut los, wie in jenem fulminanten Shoot-out, in dem das edle Guggenheim-Museum kurzfristig in ein Sanierungsobjekt verwandelt wird. Die einzige nennenswerte Schwäche liegt im Drehbuch, das zu oft reichlich sentenzenhaft daherkommt, das uns auch längst bekannte Zusammenhänge überdeutlich vor Augen führt und den Personen das eine oder andere altbackene Klischee in den Mund legt, ganz so, als habe sich der amerikanische Autor mit allen Mitteln bemüht, europäisch zu klingen. Ab und zu zuckt man ob einiger Plattitüden doch ein wenig zusammen, und ich hätte mir auch gewünscht, dass zumindest die beiden Hauptfiguren ein wenig mehr an Charakterisierung erfahren hätten, denn so wie sie hier angelegt sind, erfüllen sie lediglich ihre Funktion in der Geschichte, aber das ist wahrscheinlich heutzutage modern. Die inhaltlich Substanz kommt zwar deutlich zum Tragen, doch hätte das auch problemlos ohne die vielen Ausrufezeichen geklappt.
Egal, dies ist ein hochspannender, toll gestylter Unterhaltungsfilm mit Botschaft und etwas Tiefgang, deutlich besser beispielsweise als der letzte Bondfilm, und natürlich ist der Tykwer imstande, Kino auf internationalem Niveau und auf Augenhöhe mit Hollywood zu machen (wenn das denn die Messlatte sein soll), und jetzt, wo er sich und uns das bewiesen hat, das kann er doch ebensogut wieder heim ins Reich kommen, oder…? (13.2.)