The hurt locker (Tödliches Kommando) von Kathryn Bigelow. USA, 2008. Jeremy Brenner, Anthony Mackie, Brian Geraghty, David Morse, Guy Pearce, Ralph Fiennes

   Ein kurzer Text vorneweg reicht aus, um Kathryn Bigelows Interessen an dieser Geschichte zu erläutern. Es geht um den Krieg, es geht um Männer im Krieg, und vor allem geht es um Männer, die vom Krieg nicht loskommen, die fast schon seelisch abhängig sind vom Kick, vom Adrenalinstoß in höchster Lebensgefahr, Männer, die sich täglich schlimmsten Extremsituationen aussetzen, die sie teilweise regelrecht zu provozieren scheinen, nur um wieder und wieder die Herausforderung des Todes anzunehmen, den Tod einmal mehr zu überwinden, zu besiegen. Ich fühlte mich manchmal an Jeff Bridges in Peter Weirs großartigem „Fearless“ erinnert, denn der zeigte dort die gleiche Mischung aus Trotz und Faszination dem Tod gegenüber, eine Lebenssucht, die zugleich eine Todessucht ist und sich immer wieder daraus speist. So etwas ist extrem schwer zu verstehen und auch nicht leicht zu zeigen und außerdem typisch männlich (Frauen wären niemals so kreuzdämlich!), und daher musste das zwangsläufig ein Männerfilm werden, so wie ja fast jeder Kriegsfilm noch immer ein Männerfilm war und ist.

   Diesmal geht’s um den Irakkrieg, um eine Sondereinheit zur Beseitigung von Sprengstoff, also sowieso schon um Jungs, die tagtäglich am Rande des Abgrunds leben. Nachdem der vorherige Chef der Einheit bei einem Einsatz getötet wurde, kommt Sergeant James zur Truppe, ein scheinbar furchtloser, völlig durchgeknallter Kamikazetyp mit einer sensationellen Bombenbilanz, einer Abneigung gegen Teamwork und einem ausgesprochen theatralischen Hang zu narzisstischen Alleingängen. Damit treibt er seine Jungs nicht nur zur Verzweiflung, er beschert uns Kinogängern auch etliche hochspannende Fieberschübe und sich selbst einen pausenlosen Adrenalinkick. Gegen jede Vernunft und vor allem gegen jede Regel schaltet er mit schöner Regelmäßigkeit seine Kollegen aus und nimmt allein den Kampf gegen hinterhältige, mörderisch und bisweilen widerlich zynische Sprengsätze auf, entschärft sie alle, überlebt jede noch so prekäre Lage und lässt sich nach einem kurzen Intermezzo daheim bei Frau und Kind wieder für ein Jahr an die Front versetzen, denn wer einmal ein solches Leben geführt hat, das nur aus Extremsituationen besteht, der ist für das zivile Dasein verdorben, untauglich, der kann sich als Mensch nur noch auf diese Weise wahrnehmen. Das ist die eigentliche Bilanz dieses Films, und die ist bei Tageslicht betrachtet ziemlich fürchterlich und erschreckend, es ist dies aber auch die Bilanz vieler vorhergegangener Filme, die die Schwierigkeiten der Veteranen zeigten, sich wieder in den gewöhnlichen Alltag zu integrieren und die erlittenen Traumata hinterwegs zu lassen. Bigelow ist es ziemlich eindrucksvoll gelungen, diese Männergesellschaft randvoll von Testosteron und Adrenalin aus diskreter, klarsichtiger Distanz zu beschreiben und andererseits einen enorm spannenden, fieberhaften dichten und intensiven Actionfilm zu machen, von Barry Ackroyd grandios in Szene gesetzt, rasant geschnitten und montiert und in vielen Momenten ziemlich nervenaufreibend. Die haarsträubenden Einsätze vor Ort auf den Straßen und in den Häusern der halb zerstörten, unerhört gefährlichen Stadt haben Priorität. Die Parallelen zu Vietnam sind offensichtlich – wieder werden gerade erwachsen gewordene Burschen einem Land ausgesetzt, dessen Sprache sie nicht kennen, dessen Kultur sie nicht verstehen und dessen Fanatismus sie im Grunde nichts entgegenzusetzen haben außer ihrem überlegenen Technikapparat und ihrem nackten Willen zu überleben. Um mehr geht’s nämlich nicht, nicht damals im ostasiatischen Dschungel, nicht hier im heißen Mittleren Osten, um keine Mission, keine politische Bestimmung, um nichts als das eigene Leben. Sergeant James hat, so scheint’s, diesen Punkt schon überwunden, er kennt keine Angst, er ist auf fast kindliche Art neugierig, betrachtet jeden neuen Einsatz scheinbar eher als sportliche Auseinandersetzung, und erst als er einen irakischen Jungen kennen lernt und ihn später irrtümlich für tot hält, zeigt er so etwas wie emotionales Engagement und zwar allemal mehr, als er seiner Familie gegenüber aufzubringen in der Lage ist.

 

   Ein Film ohne große Stars in den Hauptrollen (die tummeln sich eher am Rande diesmal), ein Film, dem es nicht vordergründig um eine politische Aussage geht, ein Film über den Aggregatzustand von Männern im Krieg und weshalb Krieg für viele Männer solch ein Faszinosum ist. Krieg, so hat’s den Anschein, macht erst den Mann, und deshalb macht auch der Mann den Krieg. Eine perverse Symbiose, der Bigelow einen eindrucksvollen, manchmal faszinierend erschreckenden Film widmet, der sehr viel mehr unter der Oberfläche birgt, als Actionjunkies dies vermuten mögen. Man kann ihn aber durchaus als beides konsumieren – als elektrisierendes Spektakel und als Meditation über die monströsen Abgründe, die der Krieg im Manne zutage fördert. Tolles Kino irgendwie, gerade weil auch ein gutes Stückchen Tiefgang mit ihm Spiel ist. (4.9.)