Los abrazos rotos (Zerrissene Umarmungen) von Pedro Almodóvar. Spanien, 2009. Lluis Hornar, Penélope Cruz, Blanca Portillo, José Luis Gómez, Rubén Ochandiano, Tamar Novas, Angela Molina

   Die Kunst und das Geld, die Kunst und die Liebe, die Liebe und das Geld, die Lieb, das Leben, der Tod – unter solch existentiellen Themen tut’s der gute Almodóvar auch diesmal nicht, und natürlich macht er sich auch diesmal wieder einen Spaß daraus, sich selbst zu zitieren, zu karikieren, zu kommentieren, die vertrauten, langjährigen Themen und Obsessionen aufzugreifen, zu variieren und zu reflektieren. Trotz allem ist dies natürlich kein trockener Thesenfilm geworden, sondern großes Kino, wie nur Almodóvar es macht.

   Der blinde Drehbuchautor und Regisseur Mateo erinnert sich: An die Zeit vor fünfzehn Jahren, an die große Liebe zu Lena, an den großen Kompromiss, der dieser Liebe letztlich zum Verhängnis wurde. Lena ist die Geliebte des reichen Industriellen Ernesto, der das Debut Mateos produzieren will, um Lena zum Durchbruch als Schauspielerin zu verhelfen. Lena ist mit dem viel älteren Ernesto unglücklich, denn er hält sie wie einen weiteren Besitzgegenstand, und sie ist ihm sowieso nur verpflichtet, weil er ihrem Vater einen Platz in einer Privatklinik besorgt hat. Lena und Mateo verlieben sich, und ein Eifersuchtsdrama geht los, an dessen Ende ein fataler Unfall geschieht, bei dem Lena ihr Leben und Mateo sein Augenlicht verliert. Immerhin gelingt es Mateo fünfzehn Jahre später, die verloren geglaubten Teile seines ersten Films „Frauen und Koffer“ mit Lena in der Hauptrolle zusammenzuschneiden, wie er es ursprünglich vorgehabt hatte.

 

   Diese kurzen Ausschnitte sind besonders schön, denn hier erinnert Almodóvar sich und uns an seine Anfänge, an jene bunten, frechen, sexy, verrückten Dramen um Frauen und Nervenzusammenbrüche der 80er, und er empfindet sie, was Tonfall, Ausstattung und Schauspiel angeht, perfekt und mit liebevoller Ironie nach. Der Kontrast zu den übrigen Szenen macht dann deutlich, wie sich der Herr als Stilist und Geschichtenerzähler entwickelt hat. Was früher als schrille Farce daherkam, ist nun eine edel gefilmte, brillant gespielte und orchestrierte Liebestragödie mit nur noch gelegentlichen humorigen Einsprengseln. Weiterhin jedoch bewegt sich Almodóvars Personal am Rande des sogenannten Mainstream, weiterhin kennen Leidenschaft und Erotik keine Konventionen, Kompromisse oder Grenzen, weiterhin, und das macht dann wiederum die große Konstante in Almodóvars Werk aus, werden die Hauptfiguren mit unverminderter Liebe und Zuneigung betrachtet, mit all ihren Irrtümern, Sehnsüchten, Schicksalsschlägen und Triumphen. Nur – der Mann, einst enfant terrible der hippen und schicken Kunstszene Europas, geht auf die 60 zu, und das merkt man ihm und seinen Filmen mittlerweile tatsächlich an – nicht zu ihrem Nachteil! Wo Almodóvar früher hemmungslos zu Kitsch und großem Drama griff, finden sich heute eher Andeutungen, kurze Abstecher, was mir persönlich ja viel mehr liegt, weswegen mir auch Almodóvars neuere Filme, mit Ausnahme von „La mala educación“, viel lieber sind als seine früheren Sachen, so unterhaltsam sie auch sein mögen. Und zweifellos ist dem ollen Spanier nach „Volver“ nun ein weiteres Meisterstück gelungen. Beeindruckend ist hier vor allem, mit welcher Souveränität und Sicherheit Almodóvar sein Genre beherrscht, wie intensiv er das Drama gestaltet, wie betörend Penélope Cruz auftritt (kaum jemand lässt Frauen so sexy aussehen wie dieser Regisseur) und wie klug die sicherlich recht persönlichen Betrachtungen zum Thema Film und Finanzen integriert sind. Man kann Mateos Zweifel gut nachvollziehen, wenn er sich Ernesto sozusagen ausliefert, dem Mäzen, von dessen Wohlwollen das ganze Projekt abhängt, weswegen der kleine Künstler furchtbar erpressbar ist. Man erlebt auch, wie hilflos Mateo den Entstehungsprozess des Films hinnehmen muss, denn er ist nun blind, kann nicht mehr selbst schneiden, und Ernestos Leute sind hurtig zur Stelle und fabrizieren ein Machwerk, das mit Mateos Intentionen nur wenig zu tun hat und entsprechend misslingt. Und man spürt direkt, wie der Regisseur mit seiner Figur leidet und wie sehr er ihm die finale Genugtuung gönnt, die letztlich ja auch ein Sieg der Kunst über den Kommerz ist, und da solche Dinge höchstens noch im Film selbst stattfinden, gilt es wie besonders zu würdigen. (11.8.)