A single man (#) von Tom Ford. USA/England, 2009. Colin Firth, Julianne Moore, Nicholas Hoult, Matthew Goode

   L.A. 1962, ein Tag im November: Ein Collegeprofessor (was auch sonst…) leidet noch immer unter dem Unfalltod seines Geliebten und bereitet seinen Selbstmord vor. Er bringt den Tag im College hinter sich, hat Kontakt zu einem Studenten, treibt durch den Rest des Tages, trifft sich abends mit seiner besten Freundin, geht danach noch einen trinken und trifft den Studenten vom Vormittag wieder. Sie kommen ins Gespräch, gehen zusammen schwimmen, sind dann bei ihm in der Wohnung, und fast hätte es der Bursche geschafft, den älteren Mann von seinem Vorhaben abzubringen, als ihn doch ein Herzinfarkt dahinrafft.

   Ein hübsch ironischer Ausklang einer ansonsten sehr ernsten Geschichte über Liebe, Trauer, Einsamkeit, auch Selbstmitleid. Einsam ist Professor George Falconer in doppelter Hinsicht, nicht nur durch den Tod des Freundes, sondern auch in einer brav-bürgerlichen Umgebung, in der Schwulsein extrem pfui ist und sorgsam verborgen werden muss. Die Homosexuellen haben ihre Treffpunkte, ihre Codes, um zusammen zu kommen, die Gesellschaft am ganzen jedoch, obwohl die Jugend scheinbar unaufhaltsam auf dem Vormarsch ist, reagiert unverändert regressiv und intolerant. Das ist hier kein großes Thema, schwingt aber in vielen Szenen mit. Trauer und Selbstmitleid überlagern einander ständig, auch bei Georges Freundin Charlie, mit der er vor langer Zeit in England mal was hatte und die nun von ihrem Mann verlassen wurde und sich weitgehend mit Alkohol behilft. Die große, idealisierte Liebe, die eine Liebe des Lebens ist das Problem, eher für George allerdings, denn Charlie sieht ihre Ehe schon etwas nüchterner als eine Art Zweckbündnis. Er jedoch versinkt in schönen und grausamen Erinnerungen, paralysiert von der übermächtigen Vergangenheit, gleichgültig und apathisch im Hier und Jetzt, überzeugt davon, nie mehr einen Mann wie Jim zu finden, weshalb der Tod für ihn an diesem Tag die einzige Lösung zu sein scheint. Er sagt dem bildschönen Madrilenen auf dem Parkplatz freundlich ab, er wagt sich sogar nicht an den Studenten Kenny heran, obgleich der sich regelrecht anzubieten scheint (das weiß man allerdings nicht so genau), doch bringt allein der Anblick des friedlich schlafenden hübschen Jungen ihn zurück ins Leben – wenn da nicht das Herz wäre...

   Neben Colin Firths grandioser, brillant detaillierter Darstellung, die ihn endlich mal als Schauspieler so recht zur Geltung bringt, besticht hier vor allem das optische Design, das in fast jeder Einstellung den renommierten Modeschöpfer verrät, was mich aber erstaunlich selten gestört hat. Man muss höchstens mal darüber hinwegsehen, dass die meisten Nebenfiguren (vor allem natürlich die schönen Jungs) sämtlich wie Models aussehen, also glatt und langweilig, doch bieten Firth und Julianne Moore genug Präsenz und Klasse auf, um dieses Manko locker wettzumachen. Ansonsten gelingt Tom Ford ein faszinierend intensiver, schöner und gefühlvoller Film mit einem geradezu hypnotischen akustischen und visuellen Flow, der einhundert Minuten klang anhält und uns gleichsam in Watte packt, ohne uns aber völlig zu betäuben. Die körnigen, grundsätzlich eher monochromen Bilder werden ab und zu mit Farbe geflutet, wenn Georges Lebensgeister erwachen - ein vielleicht etwas platter Trick, der dennoch irgendwie funktioniert und stimmig wirkt, und der Zeitgeist der frühen 60er wird perfekt eingefangen. Draußen vor der Tür droht die Kubakrise zu explodieren, der Amerikaner im Ganzen richtet sich allerdings eher im trauten Heim ein, und die Studenten experimentieren fleißig mit Eyeliner und Meskalin. George muss schon zu besonderen Provokationen greifen, um die trägen, bornierten Teilnehmer seiner Literaturklasse mal aus der Reserve zu locken, und Kennys zielstrebige Annäherung an den Professor kann auch ganz anderen als sexuellen Motiven entspringen.

 

   So ist eine schöne, extrem schicke Tragödie zwischen Todes- und Lebenssehnsucht entstanden, zum Teil fast schon eine moderne Variation des „Tod in Venedig“, einerseits sehr verliebt in den eigenen Stil, andererseits aber so bestechend gestaltet, dass ich die Pose fast schon wieder beeindruckend finde. Vor allem soll die dominante Oberfläche nicht darüber hinwegtäuschen, das es sich hier um einen erstklassigen Schauspielerfilm und ein ernsthaftes, sehr intensives Drama handelt, wie man es in solcher Vollendung nur selten aus Hollywood serviert bekommt. (14.4.)