Bright Star (#) von Jane Campion. Australien/England/Frankreich, 2009. Abbie Cornish, Ben Wishaw, Paul Schneider, Kerry Fox, Edie Martin, Thomas Sangster, Jonathan Aris

   Jane Campion kommt nur alle paar Jahre mal mit einem neuen Film rum, aber wenn, dann geht’s immer um was besonderes. Großartige, kraftvolle, eigenwillige Filme sind das, gefeiert von den Kritikern, gemieden zumeist vom Publikum, weshalb ich hierzulande noch nicht mal jeden ihrer Filme im Kino sehen konnte. „Bright Star“ aber konnte ich sehen, und das ist ein großes Glück, denn dies ist für mich schlicht ein Meisterwerk, ein Film von teilweise fast schon beunruhigender Perfektion – beunruhigend deshalb, weil ich dann immer fürchte, der Zauber könne von irgendetwas Banalem zerstört werden, die Magie könne verloren gehen. Tut sie aber nicht, gottseidank, weil die Autorin Jane Campion und auch die Regisseurin Jane Campion gemeinsam ganze Arbeit geleistet haben.

   Ein klassisch britischer Literaturfilm ist das – die Liebe zwischen dem schmächtigen Romantikdichter John Keats und der jungen Fanny Brawne, die er in Hampstead kennenlernt (damals noch ein kleines Kaff vor den Toren Londons), als er mit seinem Freund Charles Brown saisonal in dessen Haus nebenan wohnt. Aus einer vorsichtigen Bekanntschaft wird intensive Liebe, eifersüchtig bekämpft von Mr. Brown, der Keats wie früher ganz für sich haben will, besorgt beobachtet von Fannys Mutter, die sehr wohl weiß, dass der mittellose Dichter eigentlich keine Möglichkeit hat, um die Hand ihrer Tochter anzuhalten. Die Anfechtungen lassen die beiden nur noch enger zusammenrücken, und einzig Keats’ Lungenerkrankung trennt sie schließlich. Er muss England im unwirtlichen Winter gen Italien verlassne, stirbt aber kurz darauf in Rom, ohne seine Fanny noch einmal gesehen zu haben. Immerhin hat diese kurze Beziehung einige schwärmerische Oden an die Liebe und die Schönheit inspiriert, die uns im Film auch ausführlich zu Gehör gebracht werden.

   Auch der Film ist eine Ode an die Liebe, die Schönheit, und die Poesie. Nicht nur das, er ist selbst Poesie in Reinkultur, grandios fotografiert und instrumentiert, berauschend in seinen ländlichen Impressionen, in den wunderschön beleuchteten Innensequenzen und den intimen Szenen der beiden Hauptfiguren, die belegen, dass Erotik überhaupt nichts mit nackter Haut zu tun haben muss. Eine zärtlichere, schönere, sinnlichere Liebesbeziehung wird man kaum im Kino erleben, sie allein lohnt schon den Besuch. Das gilt in gleichem Maße für ein überragendes Drehbuch, das nicht nur ein präzises Gefühl für die richtige Sprache hat, das darüber hinaus auch noch äußerst ökonomisch und flüssig gestrickt ist und sich durch Geist, Witz, Tiefe und die unfehlbar richtige Gewichtung langer, intensiver Szenen auszeichnet. Es ist fast schon ein Wunder, das Jane Campion dieses erstklassige Drehbuch dann auch noch eins zu eins auf die Leinwand gebracht hat und spricht für ihre Klasse als Filmemacherin. Die erste Stunde hat einen solch unwiderstehlichen, unnachahmlichen Fluss, eine Eleganz, eine Leichtigkeit, dass es mich wirklich lang hingeschlagen hat und ich innerlich gebetet habe, die gute Jane möge ihr Niveau bittebitte halten. Und sie hält es, ohne es in der zweiten Hälfte allerdings noch steigern zu können, was aber auch ganz normal ist, denn in dem Moment, da sich die Tragödie in die Liebe von Keats und Fanny drängt, hat es mit der Leichtigkeit ein Ende, denn wo Krankheit, Missgunst und Standesdünkel ins Spiel kommen, ist nicht mehr viel Platz für Romantik und hymnische Verse. Bis zum Schluss aber, insgesamt volle zwei Stunden lang, gibt es keinen Moment der Leere, der Langeweile, die Spannung und die Faszination bleiben auf gleichbleibend höchstem Level, natürlich auch, weil sie Schauspieler so herausragend gut sind. Abbie Cornish und Ben Wishaw sind fantastisch als das Liebespaar und treffen genau den richtigen Ton zwischen totaler Identifikation und dem Bewusstsein, aus der heutigen Moderne auf eine Zeit von vor zweihundert Jahren zurückzublicken. Genau wie Campion, die zwar durchaus Ausstattungskino macht, aber nie so brav und bieder und angepasst, wie es zumeist angeboten wird, sondern voller unerwarteter Details, frechem Humor und stark ausgespielten Emotionen. Ich bin normalerweise alles andere als ein Fan der romantischen Lyrik, fand mich aber dennoch von den Lesungen der Keatsschen Verse beeindruckt und fand auch, dass Campion eine Bildsprache gefunden hat, die den Worten angemessen und ebenbürtig ist.

 

   „Bright Star“ spielt eine gewichtige Rolle, wenn es darum geht, Campions besten Film zu benennen, er wird eine überaus gewichtige Rolle spielen, wenn es darum geht, den besten Film des Jahres 2010 zu benennen, es ist kurz gesagt ein Film, der mich glücklich gemacht hat und das erste große Highlight der neuen Saison. Hoffentlich nicht das einzige... (18.1.)