The ghost (Der Ghostwriter) von Roman Polański. Frankreich/England/BRD, 2009. Ewan McGregor, Pierce Brosnan, Olivia Williams, Kim Cattrall, Tom Wilkinson, Robert Pugh, Timothy Hutton, James Belushi, Eli Wallach   

   Mit den Altmeistern ist es so je nachdem, finde ich. Manche werden selbstgefällig, behäbig und bequem, andere, vor allem meine lieben Franzosen, erhalten ihren Esprit zur allgemeinen Freude bis weit in die Achtziger, wieder andere begnügen sich damit, in längeren Abständen Zeugnis ihres erzählerischen Könnens abzulegen, ohne jedes Mal die ganz großen Ambitionen daran zu knüpfen. So einer ist für mich der Meister Polański. Der macht eh nur noch alle drei bis fünf Jahre mal was, ab und zu auch mal was richtig Gewichtiges wie „Der Pianist“, dann aber auch wieder „nur“ routiniert-gekonntes Genrekino wie „Die neun Pforten“, oder diesen neuesten, einen Politthriller im ganz klassischen Sinne und auch in ganz klassischer Form, und, um es gleich vorneweg festzustellen, daran ist absolut nichts falsch, ganz im Gegenteil.

   Ein bislang unbedeutender britischer Schreiberling wird mit einer enormen Honorarsumme gelockt, die Memoiren des ehemaligen britischen Premiers Adam Lang zu beenden, nachdem sein Vorgänger tödlich verunfallt ist. Er reist in die USA auf eine Atlantikinsel und trifft in Mr. Langs Hochsicherheitsdomizil auf eine ziemlich angespannte Gesellschaft, die bald noch viel mehr unter Druck gerät, als bekannt wird, dass Lang vor das Kriegsverbrechertribunal von Den Haag zitiert und dort angeklagt werden soll, während seiner Amtszeit wiederholt illegal Gefangene an die USA ausgeliefert zu haben in dem Wissen, dass diese dort gefoltert werden würden. Während Langs Ehefrau und seine engste Beraterin eifersüchtig darum kämpfen, wer das Sagen haben soll, entdeckt der Ghostwriter Unstimmigkeiten den Tod seines Vorgängers betreffend und er entdeckt nach und nach, dass hinter Langs Amtszeit und seiner offenkundig USA-freundlichen Politik womöglich viel mehr steckt als mangelnde Kritikfähigkeit. Das ganze Ausmaß des Skandals wird jedoch nicht ans Licht kommen, weil zunächst Lang und, nach der Veröffentlichung der „offiziellen“ Memoiren, auch der Ghostwriter ums Leben kommen.

   So ist dies also ein richtig schöner Verschwörungsfilm im Stil der 70er Jahre geworden, und wenn man Vergleiche zur Realität zieht (was offenbar ausdrücklich gewünscht ist), stellt man schnell fest, dass man heutzutage mindestens genau so viel Gründe für Paranoia hat wie vor dreißig, fünfunddreißig Jahren, denn mal ehrlich, im Vergleich zu dem, was sich zum Teil in den letzten Jahren zugetragen hat, ist Watergate ja wohl nicht mehr als ein harmloser Jungenstreich, oder? Wieder mal aber treffen wir auf einen zunächst arglosen und allgemein überforderten Antihelden, der unfreiwillig in private und politische Intrigen verstrickt wird, dessen Ehrgeiz ihn schließlich dazu treibt, die Fährte aufzunehmen und Nachforschungen anzustellen, der die Ergebnisse seiner Recherchen aber nie präsentieren wird, weil sie erstens zunächst ungeheuerlich scheinen, weil er zweitens niemandem trauen kann und weil drittens der lange Arm der CIA wieder mal hinlangt, bevor er wirklichen Schaden anrichten kann. Was übrig bleibt, ist eine überraschend garstige Attacke auf das besondere Verhältnis Großbritannien - USA, das ja gerade im Zusammenhang mit dem Irakkrieg wieder für heftige Kontroversen gesorgt hat. Adam Lang entpuppt sich am Ende als eine telegene und vermutlich arglose Marionette, die für die Machtinteressen der Amis missbraucht wurde, angelockt durch eine schöne, intelligente, politisch aktive Frau, gefangen in seiner eigenen Eitelkeit, die ihn wohl davon abgehalten hat, einmal mit kritischer Distanz auf die Dinge zu blicken und die ihn bis zuletzt glauben ließ, er habe all seine Entscheidungen aus eigenem Willen und ureigener Überzeugung getroffen, wo in Wahrheit seine vom CIA angeworbene Frau die Fäden gezogen hat. Viel zynischer und grimmiger kann man doch auf Politik gar nicht mehr schauen, oder?

   Polański hat diese Geschichte – siehe oben – im Stil eines Altmeisters inszeniert, der niemandem mehr etwas beweisen muss, im Stile eines genialen Erzählers, der genau weiß, was er braucht, um die gewünschte Wirkung zu erzielen, und der vor allem weiß, dass eine wirklich gute Storys nicht mit billigen Effekten aufgemöbelt werden muss, um einen guten Film zu ergeben. Dies ist eine gute Story und es ist ein sehr guter Film geworden, hochgradig konzentriert, dicht und mit eindrucksvoller Ruhe erzählt, brillant gespielt von einem erstklassigen Ensemble, in hypnotische, winterlich dunkle, sehr atmosphärische Bilder gefasst (von unserer teutschen Küste!). Polański fokussiert fast ausschließlich auf die zwischenmenschlichen Vorgänge, reduziert die äußere Aktion auf das nötige Minimum und verzichtet wie erwähnt ganz auf lautes Getöse. Die Spannung wird virtuos allein aus den Dialogen und Begegnungen entwickelt, schleicht sich buchstäblich von hinten an, entfaltet sich schön langsam und sorgfältig und wird kontinuierlich gesteigert, je tiefer der Ghostwriter in das Intrigengeflecht vordringt, bis er zum Schluss, zu spät, die ganze Wahrheit erkennt. Gleichzeitig hält Polański uns Zuschauer bewusst auf Distanz, er möchte, dass wir seinen klaren Blick teilen, denn obwohl wir dem Protagonisten vermeintlich nicht weit voraus sind, beurteilen wir die beteiligten Personen doch etwas unvoreingenommener. Die Identifikation mit dem Ghostwriter fällt betont zurückhaltend aus, zumal er nach dem Muster der klassischen Paranoiathriller eher ein kleines Rädchen im Räderwerk ist, dessen Schritte häufig eher fremdgelenkt als selbstbestimmt sind und der alles andere als ein vorbildlicher Held ist.

 

   Mir tut es gut, solch einen Film zu sehen, die Kunst eines Filmemachers zu genießen, der so souverän in sich ruht, ohne sich dabei auszuruhen und träg zu werden. Klassisches Erzählkino vom feinsten also, ein Genuss für alle, die kein Digitalgedröhn benötigen, um auf ihre Kosten zu kommen. (27.2.)