Partir (Die Affäre) von Catherine Corsini. Frankreich, 2009. Kristin Scott-Thomas, Sergi Lopez, Yvan Attal, Alexandre Vidal, Daisy Broom
Frau verliebt sich in anderen Mann, bricht aus Ehe und Familie aus, Ehemann spielt nicht mit, es gibt ein Drama und am Schluss ist einer aus dem Dreieck tot und den anderen beiden läuten bereits die Polizeisirenen. Schon mal da gewesen, gelt? Klar doch, und nicht nur einmal und auch nicht zum letzten Mal. Macht alles gar nichts, solange die Zutaten stimmen, und das kann ich von diesem außerordentlich beeindruckenden Film wirklich mit Fug und Recht sagen.
Ganz reduziert auf die drei Hauptpersonen plus zwei Kinder ist dieses Drama bis zum bitteren Ende sehr knapp und ökonomisch aufgebaut, wobei mal wieder faszinierend ist, wie viel Intensität und Dichte man auch in fünfundachtzig Minuten unterbringen kann, gerade verglichen mit den vielen Zweistundenheulern, die man sonst so häufig auf diesem Gebiet angeboten kriegt. Die Ausgangslage wird kurz skizziert – vierköpfige Familie, die Ehe routiniert und halbwegs erschlafft, er ist erfolgreicher Arzt, sie will wieder in ihren alten Beruf als Physiotherapeutin einsteigen, was er zwar nicht versteht aber gerade noch toleriert. Dann wird die Handlung rasch zur nächsten Station vorangebracht – Suzanne trifft den spanischen Handwerker Ivan (Marke günstiger Schwarzarbeiter), der einen Raum in dem großen Haus zur Praxis umgestalten helfen soll, die Kontakte intensivieren sich und ein von ihr verursachter Unfall bringt sie schließlich zusammen. Plötzlich brechen längst verschüttet geglaubte Sehnsüchte wieder auf, sie genießt den leidenschaftlichen Sex, kann nicht genug davon bekommen und entschließt sich bald, die Familie zu verlassen, um mit ihm zu leben. Die nächste Station ist die Krise – der Ehemann spielt den gekränkten Macho, der all seine Verbindungen in der Stadt nutzt, um dem neuen Paar eine gemeinsame Zukunft unmöglich zu machen. Die beiden strampeln fast buchstäblich ums Überleben, schließlich überredet sie ihren Liebhaber zu einer krummen Tour, er wird geschnappt und sie wird gezwungen, zurück zur Familie zu kommen, wenn er wieder auf freien Fuß gesetzt werden soll. Eine Zeitlang erträgt sie die Rückkehr zur freudlosen Familienroutine und zum freudlosen Ehebeischlaf, dann greift sie zur Flinte.
Eine großartige Lektion über die Kraft der Liebe, gerade auch der körperlichen Liebe, denn für Suzanne ist es besonders die wieder entdeckte erotische Anziehung, die pure Lust, die sie treibt und die sie alles andere vergessen lässt. Sie hält den schmerzhaften Konflikt mit den Kindern aus – die Tochter verachtet sie, der Sohn hält weiter zu ihr -, sie hält die demütigenden Szenen mit ihrem Ehemann aus, der sich rundherum wie ein echtes Arschloch aufführt, sie hält auch den sozialen Abstieg aus, nimmt schlecht bezahlte Fließbandarbeiten an, als sich der Traum von einer eigenen Praxis zerschlägt. Ein bisschen zu weit ging mir einzig jene Szene, in der sie an einer Tankstelle ihre feine Cartieruhr verscherbeln will, um Geld zum Tanken zusammenzukratzen, ein ziemlich überzogener Moment der Erniedrigung, der nicht nur uns Zuschauer, sondern auch ihren Liebhaber befremdet. Ansonsten ist das Drehbuch aber sehr schlüssig und überzeugend, ganz gradlinig und folgerichtig erzählt und von der Regie kongenial umgesetzt. Yvan Attal und Sergi Lopez sind sehr gut als Ehemann und Geliebter, doch ist Kristin Scott-Thomas zweifellos die eine große Attraktion dieses Films, denn ihre Darstellung ist von solch atemberaubender Feinnervigkeit und Emotionalität, dass ich ihr wirklich total beeindruckt zugeschaut habe. Schon jetzt ist dies mit Sicherheit eine der schauspielerischen Leistungen in diesem Jahr, die mir in Erinnerung bleiben werden. Die andere große Attraktion sind Agnès Godards wunderbare Bilder, die die Hitze und das Licht des Südens wunderbar einfangen und sogar in unserem Matschwinter geradezu fühlbar werden lassen. Überzogene Melodramatik kommt hier nicht auf, weil die Regisseurin sich ganz auf die Personen konzentriert und sich zurecht darauf verlässt, dass allein aus ihrem Erleben genug Spannung und Dramatik entsteht und es somit garantiert keiner zusätzlichen Manipulationen bedarf. Für mich ist dies ein rundherum guter, bewegender Film, inhaltlich wie auch optisch, der nachdrücklich zeigt, welch tolle Resultate man noch immer mit ganz einfachen, schon hundertmal durchexerzierten Geschichten erzielen kann. (29.1.)