Joueuse (Die Schachspielerin) von Caroline Bottaro. Frankreich/BRD, 2009. Sandrine Bonnaire, Kevin Kline, Francis Renaud, Valérie Lagrange, Alexandra Gentil, Jennifer Beals

   Viele Filme sind auf ihre Art auch Schachspiele – man kennt die Figuren, kennt die Regeln, ahnt fast jeden einzelnen Zug voraus und hofft doch ständig auf eine kleine Abweichung, eine Variation, eine noch so unbedeutende Verletzung eben jener Regeln, einen Umweg von ausgelatschten Pfaden – und zu mindestens 95 % wird diese Hoffnung zuverlässig enttäuscht.

   Dieser Film gehört nicht zu den 5 %, um es gleich vorneweg zu sagen, aber ich kann dennoch ganz gut damit leben, weil er halt so nett gemacht ist. „Nett“ ist ja eigentlich auch so ein Todesurteil, zumindest wenn man es so ernst meint wie ich, aber es gibt unter all den vielen scheißnetten Filmen wiederum ca. 5 %, die sind wirklich nett und die sehe sogar ich mir dann ganz gern mal an. So wie jetzt im dicksten Schnee ein paar schöne Sonnenbilder von Korsika , weil’s so gut zur Jahreszeit passt, und weil die Leute um mich herum dann so sehnsüchtig seufzen und sagen  „Weißt du noch...“ oder „Guck ma, da haben wir auch schon gesessen und Wein getrunken...“. Dazu wird dann eine Art Emanzipationsgeschichte serviert, die jeder erfahrene Kinogänger Punkt für Punkt und eins zu eins durchdeklinieren kann, und die diesmal als MacGuffin eben das Schachspiel aufbietet, halbwegs originell wenigstens das, denn an so was kann ich mich nicht erinnern.

   Der sinnliche Genuss des Schachspiels ist es nämlich, der unsere Heldin Hélène, eine Frau, die einst das Festland verließ, um mit ihrem Mann auf der Insel zu leben und die seither nur für ihn und die Tochter lebt, der unsere Heldin also aus der jahrelangen Routine wirft und sie plötzlich dazu bringt, ihr Leben noch mal auf Vordermann bringen zu wollen.  Zunächst versucht sie, ihrem Gatten aufmunternde weibliche Signale zuzusenden, bald aber, als der Döskopp ganz nach Männerart stumpf in seiner Alltagsroutine verharrt, macht sie ihr eigenes Ding und überredet den Eremiten Dr. Kröger, bei dem sie eigentlich nur putzt, dazu, ihr das Spiel beizubringen. Sie verfällt in eine regelrechte Besessenheit, die sie zunächst von der Umgebung ordentlich entfremdet, doch weil der Gatte im Grunde kein übler Kerl und die Tochter nicht nur eine pubertierende Zicke ist, vor alle, aber weil sie ihren Weg mutig und kompromisslos geht, wird aus ihr eine richtig gute Spielerin, die ein lokales Turnier gewinnt und am Ende auf dem Weg nach Paris ist.

   Wie gesagt – alles vorhersehbar, auch die lieblichen Bilder von grandiosen Urlaubsküsten und Nicola Piovanis wie immer liebliche Musik, die aufmunternde Message für die unscheinbare Frau, sich doch mal aus dem eigenen Schatten herauszutrauen, das friedliche Ende, an dem die zuvor entzweite Familie wieder zusammenrückt und alles gut wird. Erträglich wird dieser tendenziell ziemlich seifenhaltige Stoff durch zwei Dinge: Erstens durch eine erfreulich einfühlsame und geduldige Regie, die den zwischenmenschlichen Momenten sehr viel Aufmerksamkeit und Gewicht schenkt, ihnen spannende Nuancen und feine Töne entlockt und sogar aus einer Schachpartie ein reizvolles mentales Duell zu machen vermag. Und zweitens durch Sandrine Bonnaire, die ihre grundsätzlich nicht sehr originelle Rolle mit so viel Präsenz und Ausdruckskraft gestaltet, dass es einfach ein Genuss ist, hinzusehen. Besonders in jener Szene, als sie mit ihrer Tochter in der Küche zu arabischer Musik tanzt, zeigt eindrucksvoll, welch brillante Schauspielerin sie ist und was sie zu geben hat, wenn man sie nur fordert. Sie ist ja häufig festgelegt auf den etwas herberen, schwermütig-melancholischen Typ, wohingegen ich sie zu gern mal in einer leichteren, flotteren Rolle sehen würde, nicht in einer seichten wohlgemerkt.

 

   In diesem Film sind die Übergänge und Grenzen leider ziemlich fließend, viele Figuren sind recht stereotyp, unter anderem auch Kevin Klines Part, und der gute Mann ist nicht darum zu beneiden. So gibt es neben der Bonnaire wenig interessant ausgeformte Charaktere, eigentlich niemanden, und sie muss den ganzen Film allein tragen, was sie zwar problemlos wuppt, was dem Film im ganzen aber nicht sehr gut tut. Es bleibt somit die Show einer großartigen Darstellerin vor pittoresker Kulisse, ein Film mit einigen guten Ansätzen und einigen wirklich eindringlich inszenierten Szenen, insgesamt aber wieder nur ein französisches Leichtgewicht, und mittlerweile habe ich so den Verdacht, dass die Jungs da drüben eine Zuchtstation für so was haben müssen, so viel, wie sie davon raushauen. Etwas mehr Abwechslung dürfte schon sein... (10.1.)