Drei von Tom Tykwer. BRD, 2010. Sophie Rois, Devid Striesow, Sebastian Schipper

   Im Publikumsgespräch nach der Vorführung gebrauchte Tom Tykwer auffallend häufig das Wort „beglückt“, so als müsse er noch einmal allen zu verstehen geben, wie sehr er mit dem neuen Werk zufrieden sei. Ich wünsche, ich könnte das für meinen Teil auch so sagen, doch leider war ich gar nicht beglückt von „Drei“, und auch die nachträglichen Lobhudeleien der (bezahlten?) Claqueure vermochten mich nicht vom Gegenteil zu überzeugen. Tykwer widersprach zugleich der Andeutung des Lichtwerk-Chefs, es handele sich bei dem Film um eine Art Versuchsanordnung, weil ihm dies zu verkopft und theoretisch klinge – aber genau das ist meiner Meinung nach der Film, weshalb ich schon während des Zuschauens ähnliche Vergleiche im Kopf hatte. Wir schauen uns drei Menschen aus Berlin von oben an, lassen ihre Lebenswege einander kreuzen und sehen dann mal,  was passiert.

   Hanna und Simon leben seit Jahren gemeinsam, halbwegs glücklich, wie das eben so ist. Beide begegnen separat Adam, beide verlieben sich in ihn und beginnen mit ihm eine sexuelle Beziehung. Als das Dreieck auffliegt, kommt’s erst zum Knall, doch Hanna wird schwanger, besinnt sich eines anderen, und zum Schluss zelebrieren sie eine scheinbar harmonische ménage à trois.

   Also eine Frau und zwei Männer, nix, was die Welt erschüttern könnte. Tykwer postuliert im Gespräch danach, der Film soll uns dazu ermutigen, unsere angestammten Rollen- bzw. Geschlechterklischees zu revidieren, und überhaupt sei die Welt heutzutage da ja schon viel weiter, und niemand hätte mehr Probleme, seine komplementären Anteile (weiblich der männlich, je nachdem) zuzulassen und auszuleben. Ein Optimist, der Mann, und vielleicht auch ein Fantast. Eines ist er aber auf jeden Fall nicht, nämlich ein Regisseur für „romantische Komödien“, dafür fehlen seinen Filmen Leichtigkeit und Charme, und das ist ja auch nicht schlimm, denn die besten von ihnen haben hervorragende Qualitäten, sowohl ästhetisch als auch inhaltlich. Doch Tykwer ist eben eher der intellektuelle Filmemacher, und „Drei“ finde ich ganz besonders intellektuell, oder zumindest auf intellektuell gemacht, und genau das hat mich diesmal sehr gestört. Es kommt überhaupt kein Fluss auf, keine Stimmung, jedes Mal, wenn in einer Szene ein Gefühl entsteht, wird es garantiert in der nächsten Szene sofort konterkariert und wieder kaputt gemacht. Zudem platzt vor allem die erste Viertelstunde vor lauter Gags und Tricks und Ticks zwischen split screen, Zahlenmystik und Tricksequenzen, und was vielleicht geistreich und verspielt wirken soll, kommt mit eher wie Angeberei und etwas planlos vor. Und mit zwei Stunden ist der Film auch viel zu lang, er belastet sich selbst mit zu vielen kleinen Episoden und Informationen, die einfach nicht wichtig sind, weil ich zumindest bei solchen Geschichten nur an der Essenz interessiert bin. Alles wirkt hier zu konstruiert, zu kalkuliert, und Tykwers Enthusiasmus, von dem er nachher sehr ausführlich referiert, kommt im Film selbst überhaupt nicht rüber.

   Natürlich ist der Mann ein Ästhet von hohen Gnaden, einer, der mit Kamera und Musik Bilder von brillanter Schönheit und Intensität erzeugen kann – aber eben keine Komödienbilder, und auch sonst keine Bilder, die sich für eine Geschichte wie diese hier eignen. Ich glaube, es ist schon kein Zufall, dass Tykwer den Film so überlädt mit allen möglichen zusätzlichen Dingen, weil er der Substanz einer einfachen Dreiecksgeschichte nämlich nicht traut und sie unbedingt noch geistig verbrämen muss. Schade ist das, denn mit Sophie Rois und Devid Striesow standen ihm zwei geniale Schauspieler zur Verfügung – Rois, die ihren einmalig schrägen Witz zum Teil wunderbar einsetzt, und ihre Szenen immer wieder frisch und überraschend spielt, Striesow, dessen faszinierend zwiespältige Aura einmal mehr zu größtmöglichem Vorteil eingesetzt wird und der ja sowieso einer der interessantesten, wenn nicht der interessanteste deutsche Schauspieler gegenwärtig ist. Gegen diese beiden starken Typen fällt Schipper deutlich ab, er ist eher ein Spielball zwischen ihnen und ich muss sagen, dass ich an der Figur des Simon überhaupt keinen Anteil nehmen konnte.

 

   Also trotz zweier großartiger Darsteller, einiger eindrucksvoller Berlinimpressionen und einer Geschichte, die im Kern durchaus nicht ohne Reiz ist, ein Film, der mich enttäuscht hat, weil er sich nicht traut, sich auf die Essenz zu beschränken, weil er zu viele große Gesten aufbläst, wo diese absolut nicht nötig gewesen wären. Nach seinem Hollywoodexkurs hat Tywker mit diesem Film noch nicht wieder seine Mitte gefunden, und mal sehen, ob das mit dem nächsten gelingt. (17.12.)