Fair Game (#) von Doug Liman. USA, 2010. Naomi Watts, Sean Penn, Ty Burrell, Michael Kelly, Buce McGill, Brooke Smith, David Andrews

   Wie schon das “Engagement” der Amis in Vietnam zieht auch der Irakkrieg mit all seinen Misserfolgen und fatalen Konsequenzen zunehmend Wut und Ablehnung auf sich, und selbst das sonst nicht gerade als regimeuntreu bekannte Establishment in Hollywood äußert sich des öfteren in mehr oder minder kritischen, manchmal recht garstigen und auch unverblümten Filmen, die zwar niemals den Boden des Mainstream verlassen, die aber anders als ihre Kollegen aus en 70ern und 80ern deutlich darum bemüht sind, nicht nur den Krieg mit all seinen Gräueln abzubilden, sondern auch seinen Ursachen nachzuspüren, und das empfinde ich als einen großen Fortschritt. Dass Krieg grausam und unmenschlich ist, weiß jeder und wurde schon in sehr vielen Filmen sehr klar zum Ausdruck gebracht. Fast noch wichtiger allerdings erscheint mir tatsächlich, die politischen Zusammenhänge und Ursachen zu hinterfragen, und hier gehen die neuen Filme weiter als die meisten ihrer Vorgänger, auch wenn der Geist, aus dem heraus sie entstanden sind, ungefähr der gleiche ist: Die Empörung enttäuschter Demokraten, das wachsende Misstrauen gegen die Machenschaft der Mächtigen, die Angst und Ohnmacht gegenüber politischen Intrigen, Lügen und wiederholtem Machtmissbrauch.

   „Fair Game“ beschäftigt sich mit der auf Tatsachen beruhenden Geschichte von Valerie Plame, einer CIA-Agentin, die zusammen mit ihrem Ehemann, dem Diplomanten Joe Wilson in Misskredit gerät, als sie herausfindet, dass die Regierung gezielt Fehlinformationen lanciert, um dem bevorstehenden Militärschlag gegen den Irak Vorschub zu leisten. Joe wird in den Niger entsendet, um vermeintliche Urangeschäfte mit Saddam Hussein aufzudecken, doch stattdessen stellt er fest, dass die vermeintlichen Käufe großer Mengen angereicherten Urans niemals stattgefunden haben und der Irak überhaupt nicht über die Mittel verfügt, wie behauptet Nuklearwaffen herzustellen. Sowohl Joe als auch Valerie erfahren bald, dass in höheren Kreisen niemand diese Wahrheit hören will, und sie erfahren weiter, dass alle, die an dieser Wahrheit festhalten und sie vor allem öffentlich bekannt machen wollen, mit ernsten Konsequenzen zu rechnen haben. Die Mächtigen spielen ihre Macht aus, enttarnen Valerie öffentlich als abtrünnige Agentin, die mit Linken paktiert, bedrohen sie und Joe mit Gefängnisstrafen, setzen sie dem Hass eifriger, gewaltbereiter Zeitgenossen aus und bringen sie und ihre Familie damit in akute Lebensgefahr. Die Ehe wird zudem auf eine Probe gestellt, weil Joe von Anfang an kämpfen will, während Valerie keinen Sinn darin sieht, sich mit der Regierung anzulegen. Allerdings überlegt sie sich das noch mal und vertritt schließlich ihre Sache auf einer öffentlichen Anhörung.

   Auch dieser Film ist nicht so krass und böse wie er sein könnte und vielleicht sein sollte. Der flammende Appell, den Joe Wilson zum Schluss an seine Zuhörer hält, indem er an ihre Verantwortung als wahre Demokraten erinnert und den Geist Amerikas beschwört, sich immer wieder zu erneuern, kommt ein wenig sehr pathetisch und wohl auch naiv rüber, und ich hätte gern auf ihn verzichtet, denn bis dahin ist dies ein Musterbeispiel für einen spannenden, anspruchsvollen Kommerzfilm mit Grips und einer Meinung, der sich auch an den Grips und die Meinungsfreudigkeit des Zuschauers richtet. Er tut dies durchaus manipulativ und mit einem klaren eigenen Standpunkt, aber stets dezent und ohne billige Effekte, die hier viel kaputtmachen können. Im Stile klassischer Verschwörungsfilme ist die Trennlinie zwischen Gut und Böse, zwischen Tätern und Opfern recht klar gezogen, aber niemals überzogen, denn Liman stellt schon ein breites Spektrum an Beteiligten vor, vor allem auch die großen Gruppe des mittleren Managements, die wahlweise die Drecksarbeit machen oder auch las Bauernopfer herhalten müssen, wenn es gilt, die öffentliche Meinung zu besänftigen. Ähnlich wie in „Green Zone“ von Paul Greengrass wird hier unmissverständlich festgestellt, dass die US-Regierung ihr sogenanntes Volk schlicht und einfach belogen hat, um einen Krieg zu rechtfertigen, der dringend noch einer schlagkräftigen, überzeugenden Begründung bedurfte. Die Regierung hat damit dasselbe getan wie viele ihre Vorgänger, sie hat getäuscht, verschleiert, gelogen, hat Fakten bewusst unterdrückt und gefakte Daten als Tatsachen präsentiert, kurz, sie hat das Grundvertrauen der Leute in ihre Politiker gründlich missbraucht, und wie man heute in den USA sieht, auch zu einem Teil nachhaltig erschüttert. Für amerikanische Gemüter wird der Betrug umso infamer, da keine fiesen Kommunisten oder Schule oder Nigger die Opfer sind, sondern im Grunde klassische WASPs, kritische Geister vielleicht, aber eigentlich gute Amerikaner mit zwei niedlichen Kindern und obendrein überzeugte Vertreter ihrer Regierung, denn um sich der Sache des CIA zu widmen wie Plame, muss man schon über ein gehöriges patriotisches Potential verfügen, denke ich mal.

 

   Liman inszeniert dass schmutzige politische Schachspiel mit intensiver, nervös wackelnder Kamera, gewohnt straffer Dramaturgie und zwei glänzenden Stars, die ihr Potential bewusst und voll in die Waagschale werfen, und zusammen sehr starke Momente haben, in denen sie die menschliche Dimension des Skandals herausarbeiten und den Film deutlich über das Niveau bloßer Kolportage herausheben. Ein geschickter Schachzug, zwei so eindrucksvolle Schauspieler als Protagonisten zu besetzen, denn so gerät der Film einerseits wohl nicht in den Verdacht, linke Propaganda sein zu wollen, und andererseits wird ein Niveau garantiert, dass so ein Projekt braucht, um eine gewichtige Stimme zu haben. Starkes, eindringliches, aufregendes Politkino, und ich hoffe doch, dass es noch weitere Film auf diesem Niveau von drüben gegen wird. (29.11.)