Green Zone (#) von Paul Greengrass. England/Frankreich/USA, 2009. Matt Damon, Greg Kinnear, Brendan Gleeson, Amy Ryan, Yigal Naor, Khalid Abdalla, Nicoye Banks, Jason Isaacs

   Die Amis haben nun schon einige Filme über ihr äh militärisches Engagement im Mittleren Osten gemacht, durchaus auch einige interessante mit ganz unterschiedlichen Ansätzen, mal als mehr oder weniger gelungene Satire, mal als oscargekrönte Reflektion über Männer und Krieg und Wahnsinn. Nie jedoch, und das ist typisch für die amerikanische Sichtweise der Dinge, wird der Krieg an sich hinterfragt, sein Sinn, sein Ursprung, die daran gekoppelten geheimen Ziele und Interessen der Beteiligten. Das war schon immer so, egal ob es um Korea, Vietnam oder andere Abenteuer geht, und das liegt vermutlich daran, dass die US-Außenpolitik grundsätzlich einfach nicht zur Disposition steht, oder wirklich nur in einigen wenigen Ausnahmefilmen, doch gerade wenn’s um Krieg geht, rückt die Patriotenfront zusammen, werden zwar auch mal kritische Töne laut, doch richtig ans Eingemachte geht da niemand – schließlich will man den Film ja auch zuhause noch verkaufen...

   Wenn nun einer wie Paul Greengrass einen Film über den Irakkrieg vorlegt, habe ich mir doch berechtigte Hoffnungen gemacht, all dies möge diesmal anders sein, und ich werde auch tatsächlich nicht enttäuscht: In diesem Film wird mehrmals klipp und klar und laut und deutlich festgestellt, dass der gesamte Einsatz vor allem auf vorsätzlich gefälschte Informationen gestützt wird, Informationen, die gezielt lanciert wurden zu dem einen Zweck, einen Krieg zu rechtfertigen, mit dessen Hilfe dann die Amerikaner ihre konkreten Absichten im Irak durchsetzen wollten, nämlich mit Hilfe des noch immer funktionierenden und mächtigen Militärs eine stabile, USA-freundliche Regierung zu etablieren, die Mullahs außen vor zu halten. In diesem Fall wird ein fiktiver Informant geschaffen und ein hochrangiger Politiker des Saddam-Regimes als Köder benutzt, der dann bei Bedarf auch geopfert werden kann, falls doch jemand hinter die Sache kommt. Wir sehen Matt Damon als prinzipienfesten US-Offizier Miller, der eher zufällig von einem CIA-Sonderling auf die Spur gesetzt wird und dann so lange nicht lockerlässt, bis er Gewissheit hat und den Drahtziehern an den Karren pinkeln kann, was er auch in aller Öffentlichkeit tut, was aber nicht heißt, dass er nun den von der US-Regierung geplanten Lauf der Dinge irgendwie beeinflussen kann. Er überzeugt lediglich uns dumme Kinohocker davon, das es unter der Sonne auch noch gute Amis gibt.

   Genau dieser Typ Roy Miller ist eine der Schwächen des Films, ein Mann ohne Eigenschaften, ein glatter, stringent funktionierender Organismus ohne viele greifbare menschliche Qualitäten, ein reiner Katalysator, ein Mittel zum Zweck. So wie Matt Damon ihn spielt, passt das auch, denn der Knabe ist immer nur so ergiebig, wie sein Drehbuch, bzw. der Charakter, den das Drehbuch ihm angedient hat. Hat er ein gutes Buch zu Hand, kann er hervorragend sein, doch wenn nicht, lässt er uns und seine Rolle einfach absaufen. Bei den beiden Bourne-Filmen mit Paul Greengrass war das noch konzeptkonform und sehr angemessen, hier aber fehlt mir einfach etwas, fehlt mir der human touch, den auch Greengrass bei aller Sympathie nicht herzustellen imstande war. Der zweiten Mangel sehe ich in der recht unübersichtlichen und unklaren Darstellung der Verhältnisse auf irakischer Seite. Hier bleiben Buch und Regie zu vage, zu knapp. Wie sehen die Interessenlagen im Irak aus, welche Kräfte stehen einander gegenüber, wer paktiert mit den Amis, wer nicht, was ist mit Saddams alten Seilschaften und so weiter. Hätte man nicht lang und breit auswalzen müssen, doch mich hätten diese Fragen auch in diesem Zusammenhang einfach mal interessiert.

   Greengrass’ Stärken liegen also nicht in der Klarheit, seine Stärken liegen in der Kinetik, der Dynamik, der Spannung, und hier bestätigt er den Ruf, den er mit den Bourne-Filmen erworben hat, schon ganz eindrucksvoll. Intensiver und atemloser kann man Action eigentlich nicht inszenieren, vor allem die finale Verfolgungsjagd durch ein Stadtviertel Bagdads ist von einem solch atemberaubenden Timing, dass es selbst Leuten wie mir die Sprache verschlägt, denen eigentlich nicht sooo viel an so was liegt. Barry Ackroyds wie gewohnt fabelhafte Kamera erzeugt in der fertigen Schnittfassung eine Virtuosität, die schon sehenswert ist und die manchmal fast vergessen macht, dass die Prioritäten vielleicht doch besser anderswo hätten liegen sollen, nämlich auf politischer Aufklärung. Greengrass versucht deutlich, beides miteinander zu kombinieren, doch überwiegt die Action so deutlich, dass ich mir eine ausgewogenere Gewichtung gewünscht hätte. Und vor allem eine etwas interessantere Hauptfigur. Viel interessanter sind die Nebenfiguren, die ihm zuarbeiten, und die das gesamte Szenario dann doch etwas runder und substanzreicher machen: Der Einheimische, der darauf wartet, Rache zu nehmen an den alten Machthabern, der Millers Plan zuletzt durchkreuzt und ihm damit vor Augen führt, dass die Amis nicht so leicht entscheiden können, was im Irak zu geschehen hat. Die Korrespondentin, die für ein eigentlich intellektuelles, kritisches Blatt arbeitet und die dennoch erkennen muss, wie sie und ihresgleichen vom CIA nach Strich und Faden manipuliert und missbraucht wurden und kein Ruhmesblatt für kritischen und aufgeklärten Journalismus bieten. Oder eben die beiden konkurrierenden CIA-Männer, die zwei Seiten derselben Medaille repräsentieren, einmal den alten, im Grunde anständigen Haudegen und zum anderen den kalten, skrupellosen Machtmenschen von heute.

 

   Trotz seiner Schwächen ist dies aufregendes, brillant komponiertes, hochmodernes Kino mit Tiefgang, und wer weiß, vielleicht kriegt Greengrass die Mischung demnächst noch etwas besser hin und schreibt dem Damon entweder ein besseres Drehbuch oder schickt ihn gleich in die Wüste, egal. (19.3.)