Harry Potter and the deathly hallows Pt. 1 (Harry Potter und die Heiligtümer des Todes Teil 1) von David Yates. England/USA, 2010. Daniel Radcliffe, Emma Watson, Rupert Grint, Ralph Fiennes, Alan Rickman, Helena Bonham-Carter, Bonnie Wright, Rhys Ifans, Jason Isaacs, Tom Felton, David Thewlis, Brendan Gleeson, Robbie Coltrane, Timothy Spall, John Hurt, Peter Mullan, Imelda Staunton, Bill Nighy, Julie Walters, Clémence Poésy
Man möchte fast sagen: Na endlich! Beim allerletzten Roman sind die Herren Produzenten nun doch auf den glorreichen Gedanken gekommen, dem Umfang der Vorlage Rechnung zu tragen und zwei Filme draus zu machen. In erster Linie mag es darum gehen, die Kuh zu melken, so lange es geht, trotzdem aber springt dabei ein schöner Nebeneffekt heraus, nämlich dass ein einziges Mal genug Zeit und Raum gegeben wird, um die Story und das Zwischenmenschliche ein bisschen zu entwickeln, dem Zuschauer Luft zum Atmen, zum Nachdenken und Nachspüren zu geben und auch den Darstellern Raum zur Entfaltung zu lassen. Und siehe da: Es klappt! Dies ist der reifste, erwachsenste und intensivste Potter-Film, ob nun der beste, sei für den Moment dahingestellt, auf jeden Fall aber derjenige, der die Substanz des Romans am angemessensten in das andere Medium transportiert. Ganz so einfach wie es auf den ersten Blick ausseiht, ist das nicht. Natürlich hat sich Rowling die Aufgabe gestellt, all die vielen losen Fäden im Finale zu verknüpfen, alle Schauplätze, alle Figuren und Motive noch einmal Revue passieren zu lassen und gemeinsam mit dem Leser respektive dem Zuschauer Abschied zu nehmen aus einer Welt, die sie als Autorin über dreieinhalbtausend Seiten hin ausgebreitet und die das Publikum über zehn Jahre und nun schon siebzehn Kinostunden begleitet und fasziniert hat. Eine emotionale Angelegenheit also und eine, die mit enormen Vorerwartungen belastet ist, was sowohl für den Roman als auch für den Film gilt. Rowling gibt dem Volk, was es braucht, serviert opulente Actionsequenzen, rasante Spannung, dunkel-drohende Stimmung, große Gefühle, ein bisschen Pathos dazu und reichlich Drama mit Blut und Tod, um dann fast lakonisch ein stilles, familiäres Happy End nach 19 Jahren anzuhängen. Natürlich ideales Futter fürs Kino, doch ist man diesmal nicht dem Reflex erlegen, allein die Schauwerte herauszupicken und alle Zwischentöne ins Beliebige zu verwischen.
David Yates, über dessen ersten Potterfilm ich noch so geschimpft habe (wozu ich heute noch stehe), hat sich als Regisseur noch einmal gesteigert, hat natürlich das Spektakel nicht vergessen und bietet fast zweieinhalb hochspannende und dichte Kinostunden, widmet sich aber in diesem ersten Teil zunächst einmal dem Trio Harry, Hermine und Ron auf ihrem Weg durchs Land auf der Flucht von Voldemorts Horden und auf der Suche nach Horkruxen, dem Schlüssel zu Voldemorts Identität. Es ist dies eine Reise durch ein düsteres, leeres, kaltes Land, eingefangen in ungewohnt karge, fast raue Bilder, die Bedrückung und Bedrohung, Angst und Unsicherheit nachfühlbar machen und nichts mehr mit der kindlichen Welt der ersten beiden Filme zu tun haben. Humor und skurrile Details haben hier fast keinen Raum mehr, dafür nehmen Gewalt und Tod neue drastischere Formen an, denn schließlich geht es jetzt ums Ganze, und zu diesem Zweck hat Rowling ihr Personal in diesem letzten Teil ordentlich gelichtet und einige exponierte Figuren über die Klinge springen lassen.
Das schönste an dem Buch ist meiner Empfindung nach aber, dass es eine einzige, eindrucksvolle Hommage an die Freundschaft ist, veranschaulicht durch die drei, die trotz Zwist und Meinungsverschiedenheiten bedingungslos zusammen durch dick und dünn gehen, und nachdem die vorangegangenen Bücher eigentlich zunehmend Solotrips für Harry waren und Ron und Hermine eher in die Staffage gerückt haben, sind die drei diesmal untrennbar, und das ist eine wunderbare Geste und genau die richtige zum Abschluss. Eine Geste, die mich auch persönlich bewegt, weil ich denke, dass Freundschaft vielleicht das Wichtigste ist, was wir haben. Das wird auch im Film so gesagt, und das gelingt vor allem, weil die drei Hauptdarsteller wirklich gewachsen sind an und mit ihren Rollen und in diesem letzten Teil ihre stärksten Darstellungen bieten. Vor allem Emma Watson fasziniert mit ihrer Ausstrahlung, aber auch Radcliffe und Grint haben sich über alle vorherigen Holprigkeiten und Unbeholfenheiten hinweg zu souveränen, ausdrucksstarken Schauspielern entwickelt. Es ist eine Freude, den dreien gemeinsam zuzusehen, umso mehr, als sie hier Zeit haben, das Miteinander auszuspielen, auch mal stille Szenen richtig zu gestalten und auch einen dezenten erotischen Aspekt endlich mal zum Zuge kommen zu lassen. Der Unterschied zu all den vielen arrivierten und brillanten britischen Charaktermimen, die auch diesmal in unglaublicher Menge versammelt sind, ist nun nicht mehr sichtbar, die drei haben aufgeschlossen zu ihnen, und ich bin sehr gespannt, was in Zukunft von ihnen zu sehen sein wird. Ob doch noch einmal Harry Potter dabei sein wird, hat Rowling zwar zunächst ausgeschlossen, aber man weiß ja, wie das ist mit solchen Aussagen.
Über ein halbes Jahr dürfen wir dummen Konsumenten jetzt auf Teil zwei warten, und das ist natürlich gar nicht lustig. Aber wie eingangs gesagt – die Kuh muss gemolken werden, bis sie bricht, oder wie geht das alte Sprichwort...? (4.12.)