Hochzeitspolka von Lars Jessen. BRD/Polen, 2010. Christian Ulmen, Katarzyna Maciąg, Fabian Hinrichs, Lucas Gregorowicz, Jens Münchow, Waldemar Kobus, Alexandra Schalaudek, Waldemar Obłosa
Einst gehörte Frieder den “Heide Hurricans” an, der coolsten Rocktruppe des kleinen Kaffs oben im Norden, dann ergreift er die Chance, in die Firma seines Bandkumpels Jonas einzusteigen und die neue Filiale in Polen aufzumachen, weil Jonas selbst nicht die Kurve kriegt. Und zu guter Letzt angelt er sich noch die schönste Maid am Ort und sieht sich alsbald in den Vorbereitungen auf eine echt polnische Hochzeit. Die scheinbare Idylle wird betrübt deurch die Tatsache, dass der Firmenchef längst die Abwicklung der Filiale und ihre Verlegung weiter nach Osten, in die Ukraine beschlossen hat, und Frieder nun überlegen muss, wie er es den Männern im Dorf beibringen und weiter unter ihnen leben kann. Noch mehr getrübt wird seine Freude, als kurz vor der kirchlichen Zeremonie plötzlich seine vier alten Hurricanes vor der Haustür stehen und damit der Trabbel erst so richtig losgeht.
Eine turbulente Komödie über das fragile deutsch-polnische Verhältnis, die leider nicht alle Möglichkeiten des Stoffes auslotet (weil manchmal eben die Turbulenzen wichtiger sind), die aber doch ein paar ganz nette Untiefen hat, bei denen einem schon mal das Kichern irgendwo stecken bleibt. Vor allem wenn Polen und Deutsche unter sich sind, öffnet sich der hässliche Schlund der Vorurteile, des völlig unbegründeten Hasses, der Herablassung, der Aggression. Die Deutschen sind natürlich immer noch die Nazis und die Polen natürlich immer noch die faulen, unzuverlässigen Autoklauer, und beide Parteien sind schlau genug, diese Stereotypen aufs Beste zu untermauern, vor allem bei rasch steigendem Alkohol- und Testosteronpegel. Frieders alte Truppe steigt voll ein, vor allem Jonas gebärdet sich als frustrierter, ewig stichelnder Spaßverderber, aber auch die polnische Dorfjugend steht nicht zurück, und so wird die ohnehin nicht gerade von aufrichtigem Gefühl begleitete Hochzeit alsbald zu einem Minenfeld, in dem der etwas tollpatschige, hilflose Frieder total den Überblick verliert. Erst nach einer dramatischen Rettungsaktion an der Grenze werden die Gemüter plötzlich befriedet und auch die höchst ungnädige Braut Gosia entdeckt an ihrem Frieder ganz neue Qualitäten, sodass die beiden vielleicht doch einer gemeinsamen Zukunft entgehen sehen.
Nach all den Disharmonien, Lügen und Heimlichkeiten zuvor wirkt das Happy End reichlich konstruiert und schnell noch hinten dran gepackt. Im gesamten Film zuvor hatte mich nämlich genau das empfindlich gestört, dass es keine einzige wirklich sympathische, liebenswerte Person gibt. Weder Frieder, den tumben Einfaltspinsel und Repräsentanten des neuen Globalkapitalismus, noch Gosia, die Zicke, die nicht aus Liebe heiratet sondern nur aus Berechnung, und auch nicht die alten Kumpel aus Heide, die wie die sprichwörtlichen Elefanten in den polnischen Porzellanladen stampfen und in kürzester Zeit sehr viel Geschirr zerschlagen. Auch bei den Älteren gibt es auf beiden Seiten nichts als Gehässigkeit und Ressentiments, was auch an sich kein Problem ist, denn dass dem Film grundsätzlich die political correctness fehlt und gängige Klischees bewusst überzogen werden, hat mir ja noch gefallen und ist bei diesem diffizilen Thema auch mal ganz erfrischend (zumal ein polnischer Co-Autor und -Regisseur mit im Boot war), doch fehlt mir hier die Liebe im Blick auf die Personen, das, was eine gute Komödie braucht. Frieder torkelt zielsicher von einem Fettnapf ins nächste, Gosia spült ihre Verachtung mit Hochprozentigem runter und hält sich an einen indianischen Pfadfinder und drumherum wird getanzt, gesoffen und gegrölt, genau wie ich mir immer eine zünftige Alptraumhochzeit vorstelle. Selten mal ein stiller Moment zwischen Menschen, dann wird’s wie gesagt sofort auch besser und interessanter, doch überwiegen die lauten Massenszenen und die einzelnen Personen kommen nicht recht zur Geltung. Gut gelungen ist Lars Jessen und Przemyslaw Nowakowski immerhin das bissige Spiel mit vermeintlich typisch deutschen und typisch polnischen Eigenschaften und die Tatsache, dass der Film längst nicht so albern ist, wie die Beteiligung Christian Ulmens befürchten ließ. Eigentlich macht der seine Sache sogar ziemlich gut und ist überzeugend als rundgesichtiger, ewig herumlavierender Stoffel, dem erst ganz zum Schluss die Einsicht dämmert, und der genau damit seine Braut für sich gewinnen kann.
Ein ganz netter Film, für den mehr drin gewesen wäre, aber vielleicht haben sich ja die Macher auch nicht so recht getraut. Aber vielleicht hilft’s ja auch, wenn beide Seiten mal über ihre eigene Torheit lachen können. (11.10.)