Me and Orson Welles (Ich und Orson Welles) von Richard Linklater. England, 2008. Zac Efron, Christian McKay, Claire Danes, Zoe Kazan, Ben Chaplin, Kelly Reilly, James Tupper, Eddie Marsan

    Ich, das ist ein siebzehnjähriger Frischling namens Richard, ein forscher, abenteuerlustiger schoolboy, der sich im New York von 1937 herumtreibt und von einer Karriere als Schauspieler träumt. Mit dreister Hochstapelei ergattert er sich einen Platz im Mercury Theater von Orson Welles und John Houseman, wo die Premiere von Shakespeares „Julius Cesar“ kurz bevor steht und hinter den Kulissen alles drunter und drüber geht. Das gilt auch alsbald für Richards Leben, denn so sehr er sein neues Dasein auf der Bühne genießt, so sehr wirbelt es ihn auch durcheinander. Er verliebt sich in Sonja, Welles’ Assistentin, und provoziert damit die Eitelkeit des verwöhnten Despoten, der jede Frau in seinem Dunstkreis automatisch für sich reklamiert und höchstens den treu ergeben Joe Cotton als Nebenbuhler und Schürzenjäger duldet. Sonja erwidert Richards Zuneigung nächst, folgt dann aber ihren eigenen Karriereplänen und wendet sich wieder Welles zu, der Richard bei der triumphalen Premiere noch auftreten lässt und ihn dann kalt abserviert. Richard verdaut den Tiefschlag und bändelt entschlossen mit der jungen Gretta an, die er bereits verschiedentlich getroffen hatte und mit der ihn die Liebe zur Kunst allgemein verbindet.

   Linklater ist hier ein auf viele Weise wunderschöner Film geglückt. Zum einen eine liebevolle und auch liebenswert nostalgische Hommage an das New York ausgehenden Depressionszeit, an den Jazz, an die Kunst, an die faszinierende, pulsierende Vitalität der Stadt. Zum anderen eine nicht minder liebevolle Hommage an die Theaterwelt, an die zeitlosen Dramen Shakespeares, die auch radikale Raffungen und Umgestaltungen wie die von Welles und seiner Truppe aushalten, ohne ihre Wucht oder ihre Würde einzubüßen. Und drittens natürlich eine Hommage an das einzigartige Genie Orson Welles, einen egozentrischen, oft unausstehlichen Tyrannen und selbstherrlichen Barockmenschen, der mit gerade mal zweiundzwanzig Jahren schon mehr geschafft hatte als manch anderer im ganzen Leben, der eigenwillig und rücksichtslos seine Visionen durchsetzte, gegen jeden Zweifel und jeden Widerstand, der die Dramen Shakespeares auf unerhörte, skandalträchtige und spektakuläre Weise auf die Bühne brachte und damit das moderne Theater nachhaltig beeinflusste. Sein Julius Cesar spielt sich in kargen Bühnendekors voller Nazisymbole ab (bis hin zur Beleuchtung) und seine Schauspieler trugen schwarze Uniformen, die deutlich denen der Faschisten nachempfunden waren, so dass seine Version der mörderischen, tyrannischen Intrigen  völlig neue Konnotationen erhielt, die zwei Jahre vor dem Ausbruch des Krieges noch als visionär gelten mussten.

 

   Aus alledem ist ein herrlich vitaler, witziger, geistreicher, schlagfertiger und höchst unterhaltsamer Dialogfilm geworden, ein Film für Genießer, glänzend geschrieben und inszeniert, und von einer wunderbaren Besetzung wunderbar dargeboten. Christian McKays Ähnlichkeit mit Welles ist ebenso frappierend wie seine genaue Nachempfindung von dessen Mimik, doch auch die anderen Darsteller sind in Bestform und transportieren das genialische Chaos des Mercurys Theatre ebenso wie die legendäre Lebenslust in jenen wilden Jahren kurz vor dem Ende aller Zeit. Ich hatte sehr viel Spaß beim Zuschauen und kann mich gar nicht erinnern, vom Mister Linklater jemals einen so komischen Film gesehen zu haben. Der Mann hat tatsächlich viele Talente, wie man sieht. (21.9.)